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Ich bin die, die niemand sieht

Ich bin die, die niemand sieht

Titel: Ich bin die, die niemand sieht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: J Berry
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weniger.«
    »Sag so etwas nicht.«
    »So bin ich zu nichts nutze. Mit Bildung könnte ich etwas erreichen. Für mich selbst sorgen. Wenn ich nur hier herumsitze, gehe ich ein. Und wenn ich bei dem Versuch sterbe, meine Situation zu verbessern, dann ist das eben so.«
    »Das ist Unsinn. Glaubst du, ich ertrüge es, wenn dir etwas noch Schlimmeres zustieße?« Mutter spricht jetzt leiser. Ich drücke mein Ohr an die Tür.
    Darrel antwortet nicht.
    »Du bist mein einziger Sohn«, schmeichelt Mutter jetzt sanft.
    Er antwortet nicht gleich.
    »Was ist mit Judith?«, fragt er schließlich. »Sie ist deine einzige Tochter.«
    Mutter lärmt wieder mit dem Geschirr. In meinem Magen spüre ich die Angst vor ihrer Antwort.
    »Über sie sprechen wir aber nicht«, sagt sie. »Wir sprechen über dich.«
    Zuerst will ich zur Scheune laufen. Aber ich folge meinem zweiten Impuls, öffne die Tür und trete ein.
    Mutter meidet meinen Blick.
    XVII
    Schweigsam und angespannt verbringen wir den Nachmittag. Das Thema Schule wird nicht mehr erwähnt. Nachdem wir gegessen haben und die Hausarbeit erledigt ist, gehen wir früh zu Bett.
    Am Morgen erwache ich vor Mutter und erledige noch weit vor Sonnenaufgang all meine Aufgaben. Ich packe unser Mittagessen in einen Eimer, den ich in einer Ecke des Zimmers verstecke. Ich entfache das Feuer, erhitze Wasser für das Frühstück und helfe Darrel beim Anziehen. Ich achte darauf, alles zu erledigen, was am Tag anfallen könnte, damit sie keinen Grund zur Beschwerde hat.
    Nach dem Frühstück stehen Darrel und ich in stummem Einverständnis vom Tisch auf. Mit seiner Krücke humpelt er hinüber zu den Mänteln und zieht sich an. Seine Bücher und die zerbrochene Schreibtafel hat er in den Taschen versteckt – das muss er in der Nacht getan haben. Ganz schön schlau! Auch ich packe mich warm ein, nehme den Kübel mit dem Mittagessen und stütze Darrel.
    Mutter schweigt. Sie sieht aus wie eine lauernde Raubkatze.
    Wir gehen hinaus in den silbern funkelnden Schnee. Der Himmel ist blass. Unser Atem gefriert. Wir drehen uns nicht um. Mehr bräuchte Mutter nicht, um uns aufzuhalten.
    Ich bringe Darrel zur Hauswand, wo er sich anlehnen kann. »Warte hier«, sage ich. Wie ich geahnt hatte, ist der angeschmolzene Schnee in der Nacht gefroren. Alle freigeschaufelten Wege sind jetzt spiegelglatt. Ich rutsche Richtung Scheune und hole den Schlitten, den Vater gebaut hat, als Darrel noch klein war. Er ist jetzt ein bisschen zu klein für Darrel, aber er kann darauf sitzen und ich kann ihn zur Schule ziehen. Er tut, als helfe er mit seiner Krücke nach, als sei der Schlitten ein Boot.
    In deinem Haus sind noch keine Lebenszeichen zu erkennen. Ich weiß, dass Darrel mich beobachtet, also blicke ich nur verstohlen hinüber.
    Wie geplant erreichen wir die Schule schon früh. So habe ich Zeit, Darrel zu seinem Platz zu helfen, bevor die anderen Schüler kommen. Bisher ist nur der Lehrer hier, der sich um das Feuer kümmert.
    »Soso«, sagt er, als wir hereinkommen. »Welch unerwartete Freude. Miss Finch.« Er küsst meine Hand, obwohl ich sie ihm nicht angeboten hatte. Wie kann er es wagen? »Und Master Finch. Schön, dass Sie wieder den Unterricht besuchen. Sie werden das Versäumte in Kürze aufgeholt haben.«
    Der Lehrer beugt sich zustimmend murmelnd über Darrels mitgebrachte Bücher und zeigt mit langen weißen Fingern auf die Seiten, die heute durchgenommen werden. Nach einer Weile dreht er sich um und bemerkt, dass ich noch nicht gegangen bin.
    »Vielen Dank, dass Sie Ihrem Bruder geholfen haben, hierherzukommen«, sagt er und streicht sich die Haare aus der Stirn. »Der Unterricht endet um drei Uhr, falls Sie ihm auch mit dem Rückweg helfen wollen.«
    Darrel mischt sich ein.
    »Sie geht nicht nach Hause, denn sie wird am Unterricht teilnehmen. Sie will lesen lernen und bleibt mit mir hier.«
    Rupert Gillis drückt den Rücken durch und sieht mit funkelnden Augen auf mich herab. »Nun, das ist eine Chance für dich, nicht wahr?« Er reibt sich die Hände. Jetzt kommen die ersten Schüler: Jungen und Mädchen, von Kopf bis Fuß in Winterkleidung gehüllt. Sie plaudern – aber nur, bis sie Darrel und mich bemerken.
    »Mal sehen.« Der Lehrer schreitet durch den Klassenraum. »Wo sollen wir Sie hinsetzen? Zu Ihren Altersgenossen? Nein, nicht zu den Jungs. Sie haben bisher nicht viel Bildung bekommen, stimmt’s? Können Sie lesen? Das dachte ich mir.« Zwei ältere Mädchen kichern.
    Jetzt füllt sich der

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