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Ich bin die, die niemand sieht

Ich bin die, die niemand sieht

Titel: Ich bin die, die niemand sieht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: J Berry
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Veranda und spricht zu ihnen.
    Als wir uns nähern, drehen sie sich geschlossen um. Wir ernten vorwurfsvolle Blicke. Das stumme Mädchen, das entführt wurde und zurückkam, und du, der Sohn des Monsters, zusammen auf einem Karren. Abijah Pratts bärtiges Gesicht spiegelt offenes Misstrauen. Ich sehe dich an. Dein Mund ist fest zusammengepresst. An deinem Hals pulsiert eine Vene.
    XLIV
    Der Unterricht ist unerträglich und diesmal liegt es nicht an Rupert Gillis. Stattdessen haben die blonden Robinson-Zwillinge von ihrer Mutter eine Lehrstunde in Nächstenliebe erhalten. Als ich mich setze, ertönt ein schmatzendes Geräusch. Es riecht ein bisschen wie Apfelwein. Sie haben einen vergammelten Apfel gefunden und mit mir geteilt. Den Rest des Tages rieche ich faulig und die anderen Schüler geben sich keine Mühe, ihre Belustigung zu verbergen.
    Egal. An so etwas bin ich gewöhnt. Ich kann es ertragen. Heute kann ich alles ertragen. Ihre Grausamkeit dringt nicht zu mir durch. Außerdem bin ich schon mitten in der vierten Lektion meiner Fibel. Darrel ist nach kaum einer Woche schon wieder Klassenbester. Und nur aus diesen Gründen sind wir hier.
    Am Ende des Schultags ruft der Lehrer alle Schüler der fünften Stufe nach vorne, um sie im Buchstabieren zu prüfen. Diesmal habe ich mir die Wörter eingeprägt, also bringe ich meine Schiefertafel mit, um zu zeigen, dass ich es kann. Doch Rupert Gillis befiehlt mir, die Tafel zurückzulegen. Als ich Drache nicht laut buchstabieren will, schlägt er mir mehrmals mit dem Lineal auf die Hand und sagt vor der ganzen Klasse: »Ich habe Ihnen bereits gesagt: Wenn Sie weiter zur Schule gehen wollen, müssen Sie bei mir zusätzliche Stunden nehmen, um den Stoff aufzuholen. Kommen Sie heute Abend ins Tutorium oder ich sehe mich gezwungen, mit Ihrer Mutter zu sprechen.«
    Jetzt macht er mir schon öffentlich Avancen.
    XLV
    Nach der Schule mache ich mich mit meinem Bruder auf den Heimweg. Ich ertrage es kaum, wie hämisch Rupert Gillis uns hinterherblickt. Der lange Heimweg wird für Darrel sehr anstrengend. Er wird danach noch mehr blaue Flecken von der Krücke in der Achsel haben.
    Vielleicht härtet ihn diese Erfahrung ab.
    Unterwegs machen wir viele Pausen. Als wir zu Hause sind, hievt Darrel sich in einen Stuhl und massiert seine Achsel.
    Goody Pruett trinkt mit Mutter Kaffee.
    »Komm zum Gottesdienst, Eliza«, versucht sie Mutter zu überreden. »Wenn dein Sohn zur Schule gehen kann, ist er auch gesund genug, um in die Kirche zu gehen und du gleich mit ihm. Goody Pruett warnt dich, sie werden dir eine Strafe aufbrummen, wenn du nicht kommst. Goody hat Ohren. Sie hört, was geredet wird.«
    Mutter nickt finster. Das Letzte, was sie braucht, ist eine Stunde am Pranger, weil sie die Kirche nicht besucht. Sie braucht nicht noch mehr öffentliche Demütigung, als ich ihr bereits beschert habe.
    Ich gehe in die Scheune, um Mensch zu begrüßen. Oder besser: Io. Ich glaube, sie vermisst Fee, aber in Wirklichkeit vermisse natürlich ich die Stute. Ich denke an das Gespräch mit Darrel auf unserem beschwerlichen Heimweg.
    »Warum gehst du immer noch zur Schule, Judith?«
    Ich ließ mir Zeit mit der Antwort.
    »Ich weiß, dass Hettie Robinson den Apfel hingelegt hat.«
    Ich zuckte die Schultern.
    »Und ich sehe doch, wie Gillis dich behandelt. Wenn ich zwei Füße hätte, würde ich ihm eine Benimmlektion erteilen.«
    »Tu das nichth«, beschwichtigte ich. »Lerne lieber, solange du kannst.«
    Darrel zögerte. »Das werde ich. Solange ich muss. Aber du musst nicht wegen mir zur Schule gehen. Wenn Lucas mich fährt, musst du nicht mitkommen.«
    »Ich will lernen«, erinnerte ich ihn.
    Er sah mich vielsagend an und lächelte, wie er es früher oft getan hatte.
    »Ich verstehe nicht, warum das jetzt noch wichtig ist.« Er gab mir einen freundlichen Schubs mit der Krücke. »Wozu muss eine Hausfrau lesen können?«
    Und er humpelte davon, bevor ich ihn verprügeln konnte.
    XLVI
    Den ganzen Nachmittag mache ich mir Sorgen um dich. Irgendwann fällt es Mutter auf. Sie sagt mehrmals laut, was für eine Erleichterung es sei, dass das hungrige Pferd fort sei. Was sie wohl sagen würde, wenn sie auch mich woanders unterbringen könnte?
    Irgendwann halte ich es nicht mehr aus und gehe Feuerholz sammeln. Der schwere Schnee hat viele Äste brechen lassen. Nach einer halben Stunde ist unser Vorrat wieder aufgefüllt. Ich sammle weiter, bewege mich dabei aber auf dein Haus zu. Jemand muss sich um Jip,

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