Ich bin die Nacht
früheren Vorgesetzten gesprochen.«
Marcus schnürte sich die Brust zusammen. Das kann nichts Gutes bedeuten.
Der Sheriff wartete einen Augenblick, als wollte er Marcus’ Reaktion einschätzen. Dann fuhr er fort: »Der Gentleman, mit dem ich gesprochen habe, sagte mir, Sie seien ein guter Polizist und ein brillanter Ermittler gewesen.«
»Wirklich?« Marcus versuchte, sich sein Erstaunen nicht anmerken zu lassen, versagte dabei aber völlig.
»Der Mann schien Sie zu mögen. Meine Tochter mag Sie übrigens auch. Keine Sorge, ich halte Ihnen jetzt keinen Vortrag oder warne Sie davor, meinem kleinen Mädchen das Herz zu brechen. Sie ist nämlich kein kleines Mädchen mehr und kann auf sich selbst aufpassen. Ich wollte mir nur einen Augenblick Zeit nehmen, um Sie besser kennenzulernen und Sie in Asherton willkommen zu heißen. Sie scheinen mir ein netter Kerl zu sein. Dass es zu der Schlägerei vor der Kneipe gekommen ist, war offensichtlich nicht Ihre Schuld. Trotzdem, wir sind hier nicht in New York. Hier bin ich das Gesetz. Bleiben Sie sauber, und wir kommen wunderbar miteinander aus. Haben Sie eine Aussage über den Vorfall vergangene Nacht gemacht?«
»Ja, Sir, Ihr Deputy hat sie aufgenommen.«
Der Sheriff erhob sich. »Gut. Wenn ich etwas für Sie tun kann, geben Sie mir Bescheid. Vielleicht können wir uns später weiter unterhalten, aber jetzt muss ich wieder an die Arbeit.« Der Sheriff reichte ihm die Hand. »Danke fürs Vorbeikommen.«
Marcus stand auf und ging zur Tür. Als er das Büro verlassen wollte, sagte der Sheriff: »Ach ja, noch etwas, Marcus … brechen Sie meinem kleinen Mädchen ja nicht das Herz, sonst breche ich Ihnen das Genick.«
6.
Maggie schrubbte sich die Hände mit Seife und Wasser.
Es war bereits das fünfte Mal in der letzten halben Stunde. Nicht dass sie sich vor Keimen oder Schmutz gefürchtet hätte, oder dass sie sich unsauber fühlte. Sie hatte bloß den Drang, sich immer wieder die Hände zu waschen und zu überprüfen, dass alles an seinem Platz war. Man hätte es als Sauberkeits- und Ordnungsfimmel bezeichnen können, der sich besonders dann bemerkbar machte, wenn sie nervös war. Vermutlich würden ihre Psychologieprofessoren ihr Verhalten auf ein geringfügiges Serotonin-Ungleichgewicht in ihrem Gehirn zurückführen. Jedenfalls beeinträchtigten diese Zwangshandlungen sie nicht im Alltag, und außerdem konnte Maggie sie durchaus unterdrücken.
Sie trocknete sich die Hände ab und betrachtete ihr Gesicht im Spiegel. Dann atmete sie tief durch und wusch sich ein sechstes Mal die Hände, ehe sie den Waschraum der Magnolia Bakery verließ und in die Küche ging.
Alexei, der Inhaber der Bäckerei, goss die Nudeln für Maggies und Marcus’ Abendessen zusammen mit dem Wasser, in dem er sie gekocht hatte, in ein Sieb. Zwei kleine Kinder, ein Junge und ein Mädchen, wimmelten um seine Beine, wobei sie mit Besteck gegen Töpfe und Pfannen schlugen.
»Setzt euch, meine kleinen Matrjoschkas, setzt euch!«, rief Alexei über das Getöse hinweg. »Habt ihr eure Limonade bekommen, ehe eure Mutter euch hier abgesetzt hat?« Als der Höllenlärm weiterging, fügte er wütend etwas auf Russisch hinzu.
Maggie lächelte. »Soll ich sie dir vom Leib schaffen, ehe es haarig wird?«
»Haarig?« Alexei rieb sich über die kahle Stelle am Kopf. »Die meisten Haare hab ich mir schon ausgerauft. Sag mal, musst du dich nicht fertigmachen?«
»Ich bin fertig. Fertiger geht’s nicht«, erwiderte Maggie. Ihre Stimme klang ein wenig zittrig.
Alexei stellte das Sieb ab und hob die Brauen. »Nervös?«
»Geht so.«
»Zeig mal deine Hände.«
Sie verdrehte die Augen, streckte aber die Arme vor. Alexei fuhr mit den Fingern über ihre Haut und roch an ihren Handflächen. »Wie oft hast du dir in der letzten Stunde die Hände gewaschen?«, wollte er wissen.
»Ach, so unruhig bin ich gar nicht.«
»Du zitterst, Maggie. Wenn du nicht nervös bist, bin ich der Präsident der Vereinigten Staaten. Dabei hast du gar keinen Grund, nervös zu sein. Sei einfach du selbst. Der Bursche kann gar nicht anders, er muss sich bis über beide Ohren in dich verlieben.«
Die Verabredung war nicht das Einzige, was Maggie nervös machte, aber darüber konnte sie mit Alexei nicht reden. »Danke, Mr. President. Aber mit mir ist alles okay, wirklich.« Sie blickte auf die Kinder, die immer noch herumtollten. »Ich nehme die Rasselbande mit nach oben. Ich glaube, sie kann mir bei einem kleinen Experiment helfen.
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