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Ich bin ein Fundbüro - mein Alltag mit Kindern

Ich bin ein Fundbüro - mein Alltag mit Kindern

Titel: Ich bin ein Fundbüro - mein Alltag mit Kindern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anke Willers
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die Mädchen es sich vielleicht mit ein paar Teelichtern gemütlich machen und dabei die Wohnung abfackeln. Leider helfen Kontrollanrufe gegen Wahnvorstellungen nur selten. Denn entweder ist besetzt, weil die Kinder die Zeit nutzen, um exzessiv zu flatraten. Oder keiner geht ran – weil das schnurlose Telefon im Schrank liegen geblieben ist, nachdem Jette dort die Chipstüte gesucht hat. (Unter uns: Chipstüten verstecke ich grundsätzlich vor
dem Ausgehen, und zwar an wechselnden Orten – zuletzt im Regal hinter den Kochbüchern). Das beste Mittel gegen Wahnvorstellungen ist Ablenkung: Filme mit Georgie, Brad oder Clint sind da gar nicht so schlecht. Zuverlässige Zerstreuung bieten auch die superschicken Winterstiefel, die man beim selbstständigen Stadtbummel mit dem eigenen Mann plötzlich entdeckt.
    Gar nicht gut sind hingegen Restaurantbesuche, bei denen am Nebentisch ein nervöses junges Elternpaar sitzt. Mit Babyfon, das piept …

Dubiose UPS-Lieferungen
    Als wir zum zweiten Mal ganz allein ausgegangen waren, klingelte es drei Tage später an der Tür. Davor stand ein netter junger Mann mit einem Päckchen. Ich war irritiert – denn ich hatte nichts bestellt. Es sah nach Büchern aus – also war das bestimmt Jochen. Aber als ich das Päckchen aufmachte, befand sich darin Fachliteratur für Grundschullehrer. Machte mein Mann neuerdings heimlich ein Abendstudium? Oder hatte der Online-Shop da was durcheinandergebracht? »Nein«, hieß es in der Antwort- Mail, »das ist bestellt worden am 24. April um 20.04 Uhr auf den Namen Jochen Glaser.« Ich versuchte mich zu erinnern: Am 24. April waren Jochen und ich bis Ladenschluss in Einrichtungshäusern unterwegs, Sofas gucken. Die Kinder hatten
Brote gegessen und waren bis kurz vor halb neun allein … Langsam dämmerte es mir: Clara! Unser Kind, das müssen Sie wissen, ist sich nämlich heute schon sicher, dass es in 15 Jahren Lehrerin wird: Clara unterrichtet eine (fiktive) zweite Klasse, für die sie beim Discounter vom Taschengeld Mappen und Hefte kauft, wenn dort Bürowochen sind. Ihr Kinderzimmer sieht aus wie ein Klassenzimmer. Und weil man ja gar nicht früh genug anfangen kann mit der Zukunftsplanung, hat sie eben auch schon mal das Weiterbildungsmaterial bestellt. Online, mit »click-and-buy«. Und ohne es zu merken. Einerseits finde ich das sehr vorausschauend und selbstständig. Andererseits haben wir jetzt aber doch eine PC-Kindersicherung installiert. Sonst kommt der UPS-Mann beim nächsten Mal mit einem Hasenkäfig an. Oder mit 20 Paar Chucks – Sie wissen schon, für Claras Zweitklässler!

Amüsierte Nachbarn
    Nachbarn sind auf dem Weg in die elterliche Selbstständigkeit eine große Hilfe. Jedenfalls am Anfang. Nachbarn können sicherstellen, dass die Kinder wirklich ins Bett gehen. Sie können auch Erste Hilfe leisten, sollten die Kinder (Achtung, Wahnvorstellung!) auf die fixe Idee kommen, Kakao zu kochen, und dabei überrascht werden von der Tatsache, dass heiße Milch auf Stufe 9 fluchtartig den Topf verlässt. Kurz: Mit Nachbarn
sollte man sich auf jeden Fall gutstellen, wenn man vorhat, größere Kreise zu ziehen.
    Wir wohnen in einem Zehn-Parteien-Haus mit vielen Kindern. Die meisten sind älter als unsere, was bedeutet, dass ihre Eltern Bescheid wissen über die Begleiterscheinungen, die die zunehmende Selbstständigkeit von Müttern und Vätern mit sich bringt. So sagte neulich die eine Nachbarin mit einem breiten Grinsen zu mir: »Na, warst du vorgestern wieder allein unterwegs ?« »Ja, für eine Stunde, beim Zahnarzt«, sagte ich und fühlte mich beklommen, weil ich dachte, Jette hätte vielleicht versucht, auf dem Gehweg unseren Hausstand zu verhökern. »Nein«, sagte die Nachbarin, »ich habe nur gesehen, dass deine Tochter sich für den Weg zum Müllhäuschen sehr schick gemacht hatte …« Jette, so erfuhr ich, hatte bei 14 Grad Außentemperatur Schottenrock getragen. Dazu ein rückenfreies Top und meine Slingpumps. Damit war für alle klar: Mama ist weg!
    Und falls Sie sich jetzt fragen, wie es sein kann, dass ein siebenjähriges Kind freiwillig den Müll wegbringt – ganz einfach: Jette hatte die Kochbuch-Tarnung entdeckt, die Chipstüte leer gefuttert und sich gedacht: Wenn ich die leere Tüte gleich wegbringe, fällt das gar nicht auf.
    Tja, jetzt werde ich mir wohl wieder ein neues Chipsversteck suchen müssen – aber so ist das eben,wenn die Eltern flügge werden.

Frau Dr. Mattusch zieht um
    Und ich auch. Genau

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