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Ich bin ein Fundbüro - mein Alltag mit Kindern

Ich bin ein Fundbüro - mein Alltag mit Kindern

Titel: Ich bin ein Fundbüro - mein Alltag mit Kindern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anke Willers
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genommen ziehe nur ich mit meiner Familie um. Aber ich habe die Kartons von Herrn Dr. Mattusch. Noch Fragen?

6. August, früh am Morgen
    Um es gleich vorwegzunehmen: Ich tue es jetzt zum zwölften Mal. Als Studentin zog ich um, weil ich mich mit meiner WG gezofft hatte. Später zog ich um, weil mein neuer Job in einer anderen Stadt war. Jetzt ziehen wir um, weil unser Schlafzimmer vor einem Jahr Jettes Zimmer wurde und Jochen und ich seitdem in der Fünf-Quadratmeter-Speisekammer nächtigen: Die Kammer ist so groß, dass gerade ein 1,40 Meter breites Bett reinpasst, wenn man nach dem Öffnen der Tür bereit zu einem beherzten Hechtsprung ist. In der warmen Jahreszeit muss man mit nächtlicher Schnappatmung rechnen. Und im Winter ist es schweinekalt. Denn fünf Quadratmeter große Speiseschlafkammern haben meistens keine
Heizung. Außerdem muss man sie ununterbrochen lüften. Hinzu kommt: Es fehlt der Platz für einen ordentlichen Schrank. Meine Kleider befinden sich deshalb auf dem Gang in zwei Kommoden. Dieser Umstand brachte mich in der Vergangenheit immer wieder in prekäre Situationen. Gelegentlich klingelte es nämlich an der Tür, während ich gerade spärlich bekleidet vor der Flurkommode stand und nichts zum Anziehen fand. Meine Kinder, die zu notorischer Neugier neigen, rissen die Tür auf, und ich hatte gerade noch Zeit, mich mit besagtem Hechtsprung in die Schlafspeisekammer zu flüchten.
    Das alles wird sich nun ändern, denn die neue Wohnung ist nicht nur im selben Viertel, heller und deutlich größer. Nein, wir haben auch wieder ein richtiges Schlafzimmer, das ich vermutlich nach dem Einzug für mehrere Tage nicht mehr verlassen werde, denn so lange werde ich brauchen, um mich zu erholen. Umziehen mit vier Personen kostet nämlich nicht nur viel Geld, viele Telefonate und viele Besuche in schwedischen Möbelhäusern, die das, was man braucht, gerade nicht da haben – sondern auch jede Menge Nerven. Genau genommen bringt es Mütter an den Rand des Wahnsinns.

6. August, gegen Mittag: Mein Karton-Trauma hat einen Namen
    Seit Stunden mache ich jetzt das Gleiche: Ich falte Kartons auf und fülle sie: schwere Bücher zusammen
mit leichten Spannbetttüchern, Gläser zusammen mit Handtüchern, öde Steuerunterlagen zusammen mit lustigen Bibi-und-Tina-CDs … 100 gebrauchte Kartons wurden angeliefert. Ich bin jetzt bei Nummer 46. Nummer 46 sowie Nummer 1 bis 43 zogen vor uns mit Herrn Dr. Mattusch um in den ersten Stock. Das ist auf einem großen weißen Aufkleber zu lesen. Herr Dr. Mattusch besaß unter anderem Cognacschwenker, Skiklamotten, eine Espressomaschine und Krimiliteratur. Außerdem besaß er möglicherweise eine Freundin, Frau Hecht. Frau Hecht hatte eine Hifi -Anlage, japanisches Tee-Geschirr, Wanderstiefel (blau) und Leinenvorhänge, die in Karton 44 und 45 umzogen, bevor ich sie mit Jettes Spielsachen füllte. Es könnte allerdings auch sein, dass Herr Dr. Mattusch Frau Hecht und ihren Leinenvorhang nie kennengelernt hat und erst die Umzugsfirma sie mit ihren Kartons zusammen zu mir brachte. Eigentlich ist mir das auch egal: Ich weiß nur, dass Herr Dr. Mattusch offenbar keine Kinder hatte, dafür aber eine totale Sauklaue, mit der er neben die weißen Aufkleber kritzelte. Bei jedem Karton, den ich auffalte, streiche ich sein schwarzes Gekritzel durch und schreibe in Pink daneben, was ich in den Karton tue und in welchen Raum die Umzugsleute ihn stellen sollen. Auf Karton 46 schreibe ich in meiner schönsten Schrift: »Kinderzimmer Jette! Puppenkleider, Bilderbücher, Schleich-Tiere!« Ja, so werden wir allen nachfolgenden Karton-auf-und-zu-Faltern sympathischer sein als dieser Dr. Mattusch.

6. August, nachmittags: Ich habe Hassgefühle gegenüber unangepassten Wäschetrocknern
    Während sich die kleineren Dinge des Lebens leicht in Umzugskartons verstauen lassen, stellen einen die ausladeneren Teile des Hausstands vor größere Probleme. Nachdem ich bereits vor Tagen beim Ausmessen feststellen musste, dass das Heizungsrohr in Claras neuem Zimmer genau da ist, wo eigentlich die letzten sechs Zentimeter des Kleiderschranks hinsollen, gibt mir jetzt der Wäschetrockner den Rest: Jochen kommt gerade aus der neuen Wohnung und teilt mir mit, dass das Ding vier Millimeter zu breit ist, um in die Nische über der Waschmaschine zu passen – weil der Sims des angrenzenden Fensters zu weit vorsteht.
    Ein Familienhaushalt ohne Wäscheleine im Keller und ohne Garten braucht aber einen Wäschetrockner.

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