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Ich bin ein Fundbüro - mein Alltag mit Kindern

Ich bin ein Fundbüro - mein Alltag mit Kindern

Titel: Ich bin ein Fundbüro - mein Alltag mit Kindern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anke Willers
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evangelisch. Clara ist aber auf einer katholischen Schule. Dort wird morgens manchmal gebetet – weshalb sie zehn Minuten früher da sein muss, um 7 Uhr 50. Clara findet das überflüssig, sie sagt, beten könne sie genauso gut um 7 Uhr 35, wenn sie mit dem Fahrrad zur Schule fahre und das langweilige Stück zwischen dem Tennisplatz und der Ausfallstraße komme. Dann könne sie den evangelischen Gott bitten, dass er die Matheschulaufgabe in der katholischen Mädchenschule nicht so schwer macht. Clara sagt allerdings auch, die Wahrscheinlichkeit, dass der Gott ihr diesen Gefallen tue, sei um fünf nach halb acht genauso klein wie um zehn vor acht! Wir haben uns dann darauf geeinigt, dass der Gott den Menschen wohl eher bei den größeren Dingen helfen muss – zum Beispiel beim Kampf gegen die Umweltverschmutzung: »Die Stelle, wo Jesus im Jordan getauft wurde, ist heute von Abwässern so verseucht, dass die Pilger Durchfall und Ausschlag kriegen, wenn sie im Fluss baden« – hatte ich neulich morgens aus der Zeitung vorgelesen. Die Mädchen fanden das zuerst nur interessant, weil ihnen sonst bei Stadt, Land, Fluss nie ein Fluss mit J einfällt. Dann aber wollten sie doch wissen, wo denn dieser dreckige Jordan ist. Wir haben im Schulatlas nachgeguckt und gesehen: Er fließt durch das Land der Israelis und Palästinenser. »Das sind doch die, wo dauernd Krieg
ist«, hat Clara gesagt. »Und warum macht der Gott nicht, dass sie sich vertragen?«, hat Jette gefragt …
    An diesem Punkt begann ich, mich zurückzusehnen zu der Zeit, als der liebe Gott in der Vorstellung meiner Kinder noch in seinem Wolkenschloss saß und kleine Löcher in den Himmel bohrte – durch die er dann milde auf uns runtergucken konnte. Ja, es ist komplizierter geworden mit den Kindern und Gott und der Welt. Und gerade in den Vorweihnachtswochen werde ich mich mal wieder fragen: Wo zwischen christlicher Tradition und Konsumschlacht stehe ich eigentlich? Und wie soll ich in Zukunft umgehen mit den Zweifeln: meinen eigenen – und denen der Kinder? Sicher bin ich mir nur bei einer Sache: Auch in diesem Jahr werde ich in den Keller gehen, um die Holzengelchen zu holen und die Krippe. Ich werde sie hübsch machen und auf die Fensterbank stellen. Und Heiligabend werde ich die Weihnachtsgeschichte vorlesen. Ich möchte nämlich, dass die Mädchen auch im nächsten Jahr noch wissen, warum wir Weihnachten feiern. Für den Fall, dass sie mal in eine Straßenumfrage geraten. Aber auch sonst!

Lieber Schweinehund!
    Ich habe Vorsätze fürs neue Jahr. Der erste lautet: Ich sage meinem inneren Schweinehund mal richtig die Meinung!

    Eigentlich hast du es nicht verdient, dass ich dir einen Brief schreibe. Denn ich mag dich nicht besonders. Du bist ein träger, fauler Geselle, ein Angsthase dazu. Meistens hängst du auf dem Sofa rum, zappst dich durch Krimis und blätterst dich durch Klatschzeitschriften, in denen steht, was Javier Bardem über Julia Roberts denkt oder andersrum. Dabei futterst du die handgeschöpfte Krokantschokolade weg, die Christiane mir neulich geschenkt hat. Kommt ein Kind vorbei, zum Beispiel Jette, und fragt dich, ob du das Haargummi mit der Filzblume gesehen hast, dann bellst du das Kind an: »Kann man hier nicht mal fünf Minuten seine Ruhe haben?!« Kommt ein Mann vorbei, zum Beispiel Jochen, und fragt dich, ob du mit ihm eine Runde joggst, bellst du den Mann an: Da hätte er eben früher
kommen müssen, vor der Krokantschokolade. Außerdem sei da draußen viel zu viel Wetter.
    Nein wirklich, Schweinehund, du bist anstrengend mit deiner unbeherrschten Art, deiner Disziplinlosigkeit und deinen ewigen Ausreden. Leider stelle ich fest: Wenn der Vorweihnachtstress vorbei ist und ich zwischen den Jahren endlich Zeit habe, Pläne für’s kommende Jahr zu machen, bist du besonders aktiv: »Ha«, bellst du, »spar dir die guten Vorsätze mit dem Gemüse, dem Sport, der Ordnung, der Entschleunigung. Klappt ja sowieso nicht!« Und dann blickst du triumphierend auf die Erfolge deiner bisherigen Boykottmaßnahmen: Du behauptest zum Beispiel, dass ich mir schon im letzten Dezember vorgenommen hatte, zukünftig beim Hausaufgabenmachen immer ganz ruhig zu bleiben. Und weist mich daraufhin, dass ich erst vorgestern wieder schimpfend rausgerauscht bin, als Clara in Mathe die geschweifte Klammer wieder so hinschmierte, dass sie aussah wie die Nase von Gérard Depardieu – aber nicht wie ein Zeichen der Mengenlehre.
    Du erinnerst mich auch daran,

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