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Ich bin ein Fundbüro - mein Alltag mit Kindern

Ich bin ein Fundbüro - mein Alltag mit Kindern

Titel: Ich bin ein Fundbüro - mein Alltag mit Kindern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anke Willers
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Müllsack, schmissen alle Gewürze hinein und schleppten die leere Schublade zum Aushungern eventuell noch vorhandener Bewohner in den Keller. Ich starrte auf das Loch in der Küchenzeile und fühlte mich wie auf der Anklagebank: »Du musst mehr putzen«, maulte das Loch. »Hier sind zu viele Krümel!«
    Als Jochen am Abend nach Hause kam, sagte Jette: »Papa, wir haben Haustiere.« Papa zog die Augenbraue hoch. Und dann berichtete ich von meinem Gewürzschubladen- Trauma und dem beherzten Einsatz unserer Mädchen.
    An diesem Abend klebten wir einen neuen Zettel an die westliche Seite des Kühlschranks. Darauf stand: Pheromonfallen!!! Was das bedeutete? Es bedeutete, dass ich am nächsten Tag einen Termin im Drogeriemarkt hatte.

    Die Motten haben wir danach nicht mehr gekriegt – wohl aber weitere Erfolge gefeiert: Seit ich dezent angemerkt habe, dass Mehlmotten auch vergessene Brotzeitdosen unter Kinderhochbetten sehr lecker finden, darf ich mich nämlich über noch mehr freiwillige Helfer freuen. Nicht nur in der Küche!

Neues von der Noten-Bank
    Demnächst kriegen meine Kinder wieder Zwischenzeugnisse. Ein guter Anlass, mal über die allgemeine Bewertungswut nachzudenken.

    Nachdem wir umgezogen waren, schickte uns das Umzugsunternehmen mit der Rechnung auch einen zweiseitigen Bogen. Darin sollten wir Noten verteilen für die Freundlichkeit der Mitarbeiter, für die Schnelligkeit beim Schrankzusammenschrauben, die Sorgfalt beim Küchenplattenaussägungen und die Vorsicht beim Transport unserer zahlreichen Ming-Vasen. Dies diene der Optimierung ihrer Arbeit, schrieben die Umzugsleute, denn nur so könne man sicherstellen, dass der Kunde auch in Zukunft zufrieden sei. Da ich schwer beeindruckt bin von Menschen, die ohne Lamento einen Selbstabholer-Schrank zusammenbauen oder ein ordentliches Loch in eine bröselige Altbauwand bohren, stempelte ich einen von Claras Smileys auf das Blatt. Danach hörte ich nichts mehr.

    Jochen hingegen machte sich mehr Mühe. Den Bogen, den er kürzlich bei einer Dienstreise in seinem Hotelzimmer fand, füllte er sorgfältig aus. Er gab fürs Preis-Leistungs-Verhältnis eine 1, für Service eine 2, genauso für Design und Frühstück. Eine Woche später bekam er einen aufgeregten Anruf vom Hotelmanagement. So etwas habe man ja noch nie gehabt. Warum er denn so unzufrieden sei, was man verbessern könne? Jochen begriff nicht: Eine 1 – dafür loben wir unsere Kinder über den grünen Klee. Und 3-mal eine 2, was wollten die eigentlich? Es stellte sich raus, dass Jochen die Bewertungsskala falsch verstanden hatte. Die beste Note auf der Skala wäre die 10 gewesen. Eine 1 war die schlechteste. Das lag jenseits unserer Vorstellungskraft.
    »Wir sind schulnotengeschädigt«, sagte ich, als mein Mann mir von diesem Zwischenfall erzählte. Und eigentlich ist das auch kein Wunder: Eine Milliarde Schulnoten werden jährlich in Deutschland erteilt, mindestens 100 davon an unsere Kinder. Abgesehen von den Ferien vergeht eigentlich kaum eine Woche, in der unsere Mädchen nicht in irgendwas benotet werden: »92-mal in einer Minute ist eine 1«, sagte Clara neulich. »Ich schaff bloß 68-mal.« »Aha«, sagte ich. »Und um was handelt es sich: Kaugummikauumdrehungen? Oder Schnipser beim Melden?« »Neee«, sagte Clara, »Seilspringen.« Und dass sie da wohl leider eine 4 kriege.
    Jette hingegen ist erst in der 2. Klasse und wird deshalb mit einer Notenverschleierungstaktik bewertet. Dabei handelt es sich um eine Art Lehrer- Geheimsprache,
die vordergründig dazu dienen soll, Kinder und Eltern mit verbalen Schönfärbereien ruhigzustellen.
    In Wahrheit aber dazu da ist, andere Notengeber davon in Kenntnis zu setzen, dass dieses Kind den Hunderterraum noch nicht beherrscht. Oder das S immer falsch rum schreibt. Oder in der Montagsrunde nie einen Ton sagt. Bei der Notenverschleierungstaktik sehr beliebt sind Formulierungen mit kleinen, harmlos klingenden Wörtchen wie zum Beispiel meistens, zunehmend, öfter, weitgehend, nicht immer, selten. Bei uns funktioniert die Verschleierung allerdings nicht. Unsere Kinder hocken bereits im 5. Jahr auf den Noten-Bänken bayrischer Schulen, und wir haben mit der Zeit gelernt, sämtliche Geheimcodes zu knacken.
    So gehen Zeugnistage bei mir nicht selten mit mangelnder Impulskontrolle einher: Ich werde laut und fluche. Weil ich die Noten meiner Kinder ungerecht finde. Oder auch gerecht – aber trotzdem nicht erfreulich. Weil ich das Gefühl habe, mit den Noten

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