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Ich bin ein Genie und unsagbar böse

Titel: Ich bin ein Genie und unsagbar böse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Josh Lieb
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bauen.
    »Wow, Marlene«, sagte er, »was für ein Schloss!«
    »Das meiste hat Ollie gebaut«, entgegnete sie stolz.
    »Na so was!«, sagte er und schien wirklich ein wenig beeindruckt zu sein. Er stand auf und ging langsam um unser Schloss herum. Dann sank er auf die Knie, um eine besonders filigrane Brüstung genau zu studieren. »Gute Arbeit, Ollie!« Dann wandte er sich an Mom. »Vielleicht wird einmal ein Architekt aus ihm. Diejenigen mit der geringsten Sprachbegabung haben ja oft die größten Fähigkeiten, wenn es um räumliches Vorstellungsvermögen geht.«

    »Ollie ist außerordentlich sprachbegabt«, entgegnete Mom. »Er spricht nur nicht viel.«
    Es fällt mir schwer, das wohlige Kribbeln zu beschreiben, das während dieses Wortwechsels durch meinen Körper flutete. Vielleicht weil es das einzige Mal in meinem Leben war, dass ich dieses Kribbeln spürte. Vielleicht spürt Lollipop ja dasselbe, wenn ich »guter Hund« zu ihr sage.
    Wie krank ist das denn! Ich war fünf - alt genug, um es besser zu wissen, und trotzdem sehnte sich ein Teil von mir danach, diesem sonnenverbrannten Blödmann zu gefallen. Ich wette, dass Jungs einfach programmiert darauf sind, ihren Daddy zu bewundern. Doch wenn ich heute an diese Schwäche meines fünfjährigen Ichs zurückdenke, wird mir fast übel. Gott sei Dank bin ich darüber hinweg.
    Nachdem er sein stolzes Geräusper gemacht hatte, kehrte Daddy zu seinem Buch zurück. Dann kroch die Flut immer näher an unsere Schlossmauer heran. Ich hatte jede Menge zu tun mit meiner Plastikschaufel. Ich war nicht das erste Kind, das versuchte, einen Graben auszuheben, um das Schloss vor den Wellen zu schützen.
    »Zeit, nach Hause zu gehen«, sagte Daddy.
    »Ich bin noch nicht fertig.«
    »Gräbst du gerade Löcher?«
    Ich blickte lächelnd zu ihm auf. »So kann das Wasser mein Schloss nicht erreichen.«
    »Oh, Ollie!«, ruft Mom und sieht untröstlich aus. »Das Meer macht jede Sandburg kaputt. Es tut mir so leid, mein Schatz.«
    Aber ich grub einfach weiter. Mein Vater lächelte ihr zu und flüsterte: »Lass ihn seine Arbeit zu Ende führen.
Das wird sehr lehrreich für ihn sein. Auf manche Dinge können wir keinen Einfluss nehmen.«
    Meine Mutter kramte in der Badetasche, um einen Keks für mich zu finden.
    Ich brauchte ungefähr zehn weitere Minuten, um mein Kanalnetz von Gräben, Gruben und Schächten zu vollenden.
    Dann kehrten wir zu Dons Haus zurück und aßen Corned-Beef-Sandwiches zum Abendessen.
    Früh am nächsten Morgen wachte ich auf. Ich konnte es nicht erwarten, zum Strand zu gehen. Ich wollte dieses Kribbeln wieder spüren. 65
    Als wir zum Strand kamen, verbrachte Daddy zunächst ein paar Minuten damit, seinen Stuhl aufzustellen, sein Handtuch auszubreiten und Aloe Vera auf seinen Schultern zu verteilen. Dann ließ er endlich - wie ein mächtiger Märchenkönig, der sein Reich in Augenschein nimmt - seinen Blick über das Wasser schweifen. Schließlich nahm er auch meine Burg wahr, die sich knapp zwanzig Meter weit weg befand. Sie war unversehrt. Nicht eine einzige Welle hatte ihr etwas anhaben können.
    Mom freute sich sehr für mich und schlug sofort vor, in der Mitte der Anlage einen riesigen Turm zu bauen. Aber mein Blick ruhte auf Daddy. Eine Zeit lang sagte er gar nichts. Dann umrundete er die Burg erneut, wie er es bereits am vorigen Tag getan hatte. Nur dass er diesmal noch genauer hinschaute, als wollte er sich vergewissern, dass es auch wirklich dieselbe Burg war.

    Vermutlich hatte ich erwartet, dass er »Fantastisch, Ollie!« sagen würde. Oder: »Gut gemacht, Sohn!« Selbst mit »guter Hund« wäre ich zufrieden gewesen. Doch er sagte nur: »Was zum Teufel …« Und als er mich endlich ansah, sah ich keineswegs berechtigten väterlichen Stolz in seinen Augen. Aus seinen schmalen Lippen war alles Blut gewichen. Seine Nasenlöcher waren so weit wie 50-Cent-Stücke. Wie die eines Gorillas, der Schießpulver riecht. Seine Knopfaugen hatten sich zu gierigen, argwöhnischen Schlitzen verengt.
    Was ich sah, war nackte Angst. Panik. Er fühlte sich von mir bedroht .
    Hier hatte ich ein völlig neuartiges Drainagesystem entwickelt, ein Meisterstück der Ingenieurskunst, ein System, das die Küstenstriche dieser Welt vor Wirbelstürmen, Überschwemmungen und anderen Naturkatastrophen bewahren konnte, und mein Vater reagierte nicht mit Unglauben , sondern mit Abscheu und Entsetzen .
    Er hatte Angst, von mir überflügelt zu werden. So sehr er auch aus

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