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Ich bin ein Genie und unsagbar böse

Titel: Ich bin ein Genie und unsagbar böse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Josh Lieb
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»Er ist zur Zeit sehr empfindlich«, flüstert Moorhead ihm zu und klopft mir auf den Rücken. »Dann schau mal nach, was Mr. Pinkney von dir will.«
    »Ja, Mr. Moorhead.«
    Er hält mir seinen gehobenen Daumen entgegen, während ich mich in Bewegung setze. »Immer sauber bleiben, Kumpel!«
    Selbst Randy kann sich ein Grinsen nicht verkneifen.
    Auf Wolke sieben schwebe ich Pinckneys Büro entgegen. Der fleckige, rote Boden leuchtet wärmer als je
zuvor, die kotzgrünen Schließfächer lächeln mir zu. Es dauert zwar noch fast einen Monat, aber ich habe die Wahl schon so gut wie gewonnen. »O, what a wonderful day!« Jeder in meiner Klasse wird mir aus fehlgeleitetem Mitleid seine Stimme geben. Das reinste Kinderspiel - ich selbst hätte es mir nicht besser ausdenken können. Hab ich’s nicht immer gesagt? Man braucht kein Genie zu sein, wenn man von Schwachköpfen umgeben ist.
    Mit jedem Mitschüler, dem ich begegne, steigt meine gute Laune. Jordie Moscowitz scheint tief betrübt zu sein, dass er sich je über mich lustig gemacht hat. Und da drüben sehe ich Alan Pitt - Mannomann, der ist ja total verpickelt. Als hätte ihm jemand eine Flasche Ketchup ins Gesicht gespritzt! 57
    Dann erreiche ich die Tür zu Pinckneys Büro. Und was ich höre, lässt meine übersprudelnde Freude an den harten Felsen der Realität zerschellen.
    Zögerlich drücke ich die Tür auf. Meine schlimmsten Vermutungen werden bestätigt. Dort sitzt Mom mit zerflossenem Gesicht und sieht noch unförmiger aus als sonst. Während sie regelrecht in Tränen aufgelöst ist, versucht mein Vater (nicht gerade sehr hingebungsvoll), sie zu trösten. »Oliver stirbt!«, schluchzt sie. »Er stirbt!«
    »Tut er nicht, Marlene. Jetzt beruhige dich.«
    Mom zeigt mit dem Finger auf Pinckney. »Aber er sagt …« Dann sieht sie mich. »Oliver!«

    Die nächsten fünf Minuten sind ein einziges Drücken, Schniefen, Knutschen und Heulen.
    Nachdem jedes Taschentuch in diesem Raum vollgeschluchzt und vollgerotzt wurde, gelingt es Pinckney, unserer Zusammenkunft den Anschein von Ordnung zu verleihen. »Natürlich war ich zunächst sehr skeptisch. Ich hatte noch nie von einer Krankheit gehört, die progressive …«, er wirft einen Blick in seine Unterlagen, »… Lardonoma heißt. Also musste ich nähere Erkundigungen einziehen. Und da Sie mir versichern, dass Oliver nicht krank ist …«
    Daddy macht ein finsteres Gesicht. »Nicht im Geringsten. Erst letzten Monat hat er einen Check-up beim Arzt gemacht, und abgesehen von der offensichtlichen Sache mit dem Gewicht …«
    »Oliver stirbt!«
    Meinem Vater reißt der Geduldsfaden. »Herrgott noch mal, Marlene! Wir sterben alle !«
    Doch sie ist jetzt nicht für philosophische Belehrungen zu haben. Während die beiden in einem Strom von Tränen, Vorwürfen und Entschuldigungen versinken, nimmt mich Pinckney zur Seite. »Jeder Lehrer wird morgen in seiner Klasse die guten Neuigkeiten über deinen Gesundheitszustand bekannt geben. Deine Kandidatur soll das überhaupt nicht beeinflussen …«
    Als Daddy dies hört, sagt er: »Oh, yeah, vielen Dank, dass Sie ihm einen Platz auf dem Stimmzettel gewährt haben.« Der Streit mit Mom hat ihm den letzten Nerv geraubt. »Das war eine großartige Entscheidung, Herr Direktor. Er wird sich garantiert überhaupt nicht lächerlich machen.«
    »Gern geschehen«, entgegnet Pinckney und entschließt sich dazu, den Sarkasmus zu überhören. Er
blickt verstohlen zum verschlossenen Aktenschrank hinüber, der sich hinter ihm befindet.
    Nach ein paar letzten schmuddeligen Schmatzern werde ich entlassen. Derselbe rote Flur, der eben noch voller Verheißung war, wirkt jetzt stumpf und leblos. Die Welt ist trügerisch, eng und leer.
    Der Sieg war zutraulich in meine Hand gehüpft wie ein junger Vogel.
    Dann kam Daddy und hat ihn zerquetscht. Mom hätte mich niemals verraten, aber oh, dieser verdammte …
    »Beefheart«, befehle ich aus der Tiefe meiner Verzweiflung. Für zehn Sekunden ist alles still, dann hört man ein Klicken … und im nächsten Moment - kein Elektriker wird dies je erklären können - dröhnen die atonalen Wunder meines neuen Lieblingsstücks »The Blimp« aus der Lautsprecheranlage.
    Die Schließfächer zu beiden Seiten des Flurs klappern rhythmisch, während ich auf dem Rückweg zu meinem Klassenzimmer an ihnen vorbeigehe. Mein Tag wird kommen.

Kapitel 14
    Oliver Watsons Theater der Fantasie präsentiert drei Stücke zu euer Unterhaltung 58
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