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Ich bin ein Genie und unsagbar böse

Titel: Ich bin ein Genie und unsagbar böse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Josh Lieb
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Fernsehstimme spricht weiter: »Wir fahren nun mit unserer Berichterstattung zum rätselhaften Verschwinden von Ethel Majeski fort. Wie bereits erwähnt, ist die Schülerin aus Highland Park, Illinois, gestern
Abend nicht nach Hause gekommen, nachdem sie mit ihren Freunden im Kino war.«
    »Bah!«, brummt mein Vater, während er den Apparat mit der Fernbedienung ausschaltet. Ich bin, gelinde gesagt, erstaunt. Das Wort Bah kannte ich bislang nur von Scrooge in der Weihnachtsgeschichte von Charles Dickens. Doch scheint er es wirklich ernst zu meinen.
    Daddy sieht verlottert aus. Er hat sich seit fünf Tagen nicht mehr rasiert. In den Stoppeln um seinen Mund hängen Überreste des Bratensafts von heute Abend. Auch braune Flecken vom gestrigen Schmorbraten sind noch zu erkennen sowie gelbe Flecken des Truthahns von vorgestern. Anscheinend hat er auch aufgehört zu baden. Und Mom hat derzeit andere Dinge im Kopf, um so etwas zu bemerken.
    Wir essen im Wohnzimmer. Daddy sitzt auf seinem Lieblingsstuhl und starrt den soeben erloschenen Bildschirm an. Ich lümmele mit Lolli auf dem Sofa und hoffe, dass er mich nicht anspricht. Wir sind von Mom und ihrer Gang, die sich jetzt »Die rosa Kobras« nennen, aus der Küche verbannt worden.
    Sie basteln nicht mal mehr Plakate. Sie hocken nur an der Küchentheke, plappern wie Beos und verstummen sofort, sobald ich den Raum betrete. Als ich mir vorhin mein Abendessen holte, sahen sie so aus, als hätte ihnen jemand mit Superkleber den Mund verschlossen.
    Abgesehen von Tati. Die fläzte sich am Küchentisch und trug ein enges Top mit der Aufschrift KILLERQUEEN. Ich war überrascht, weil sie vorhin noch ihren rosa Kimono anhatte - doch dann sah ich, wie Logan am Bügelbrett stand und versuchte, den Kimono von sämtlichen Fältchen zu befreien.
    »Der große Tag naht, was, Mopsi?«

    Wahltag. »Yeah«, entgegnete ich. »Ich arbeite an meiner Rede.« 104
    Mom sprang auf. »Brauchst du Hilfe, Mausebär?«
    Tatiana lächelte Mom nachsichtig an. »Mach dir keine Sorgen, Moppelchen. Mausebär kriegt von uns alle Hilfe, die er braucht.«
    Diese Bemerkung ließ alle vier - sogar Mom - kichern wie die Schurken in einem James-Bond-Film. Ich war richtig stolz auf Mom.
    »Wenn wir mit dir fertig sind, Jumbo«, sagte Tatiana, »dann kannst du dir sogar deine schwachsinnige Rede sparen.«
    »Dann bist du unsterblich!«, kreischte Liz und schlang ihre Arme um mich.
    »Lass das, Molotow«, sagte Tati, die nicht mehr lächelte. »Er ist doch kein ausgestopftes Tier.«
    »Aber er ist so weich …«, stöhnte Liz, die mich widerwillig losließ.
    Molotow ist Liz’ Cliquenname. Tati heißt Killerqueen. Mom ist Moppelchen, und Logans Cliquenname ist Hart-aber-herzlich. Sie ist jedoch nicht sehr zufrieden damit.
    »Okay, Jumbo«, sagte Tatiana.«Lass dir dein Essen schmecken. Die Rosa Kobras setzen in der Zwischenzeit ihre Strategiesitzung fort. Und mach dich nicht verrückt wegen der Rede. Wir werden die Wahl für dich gewinnen, noch ehe du den Mund aufmachst.«
    Diese Worte klingen mir unheilvoll in den Ohren, während ich auf dem Sofa sitze und Moms schwedi-sche
Fleischklößchen mümmele. Um ehrlich zu sein, bin ich doch etwas besorgt. Was haben sie nur vor? Es ist mir noch nie in den Sinn gekommen, mein eigenes Haus zu verwanzen, doch vielleicht wäre es an der Zeit, ein kleines Abhörgerät in der Küche zu installieren …
    Ich bemerke nicht, dass Daddy mich anglotzt, bis er zu reden anfängt: »Das muss sehr unheimlich gewesen sein. Ich meine, das gestern in der Schule. Das Attentat.«
    Ich schaue zu ihm hinüber und nicke bedeutungsschwer. Seine kleinen Schildkrötenaugen hinter der Brille sind blutunterlaufen und übernächtigt.
    Daddy gibt mir einen beruhigenden Klaps auf die Schulter. »Du musst das verstehen, ein Mann wie dieser Sheldrake …« Aus seinem Mund klingt das Wort »Mann« wie eine Beleidigung. »Ein Mann wie er erntet, was er gesät hat. Er erntet, was er gesät hat. Und manchmal müssen unschuldige Leute wie du darunter leiden.«
    »Okay, Daddy«, sage ich. »Ich glaube dir. Würdest du mich jetzt entschuldigen?«
    Er sieht verärgert aus. »Hör mir zu, Ollie. Ich meine es ernst. Leute wie dieser Sheldrake haben einen Haufen Geld. Sie denken, das gibt ihnen das Recht, mit anderen Leuten umzuspringen, wie es ihnen passt. Und in der Regel kommen sie damit durch, weil die meisten Leute nicht wissen, wie sie sich wehren sollen. Sie haben einfach keine andere Wahl …«
    Daddy spuckt

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