Ich bin ein Mörder
Schutzpolizei keine Rufbereitschaft. Die überlasse ich liebend gern den Jungs vom Kriminaldauerdienst. Weißt du, für manche von uns gibt es so etwas wie ein Privatleben.« Sie steckte das Messer in die Spülmaschine und warf die Klappe zu. »Warum erzählst du mir nicht endlich, was du Wichtiges von mir wolltest?«
»Ich habe dir auf die Mailbox gesprochen und auf den Anrufbeantworter. Damit du zurückrufst. Egal, wie spät es ist.«
Sein vorwurfsvoller Ton ärgerte sie sichtlich und sie rührte ihren Kaffee so heftig, dass er überschwappte.
»Hätte ich sicher gemacht.« Herausfordernd schaute sie ihn an und wartete.
»Du hast bei Stockmann geschlafen?« Er raufte sich die Haare. Wie bei Dürrenmatt! Genau wie der Kommissar im Roman »Der Verdacht«, den er zu lesen begonnen hatte, begab Alexandra sich wissentlich in die Hände eines potentiellen Mörders. Lieferte sich aus. Ohne vorher Sicherheitsvorkehrungen zu treffen.
Aus dem Nebenzimmer war Freds wieherndes Lachen zu hören und Alexandra schloss die Tür, ehe sie antwortete.
»Die ganze Nacht und nicht nur bei ihm, wenn du es genau wissen willst! Auch, wenn es dich nichts angeht.«
Nein, es ging ihn nichts an und er wünschte, sie hätte es nicht gesagt, obwohl es ihm doch längst klar war.
»Bist du irre? Du bleibst die ganze Nacht und bist nicht erreichbar. Das Risiko einzugehen, ist hirnrissig! Wenn er wirklich gefährlich ist … Es ist nicht auszuschließen. Er hätte dich …«
»Hätte, hätte. Hat er aber nicht. Spinnst du jetzt komplett? Was soll das? Wenn er mich umbringen wollte, hätte mir mein Handy auch nichts genützt. Jetzt raus damit: Was wolltest du so Wichtiges mit mir besprechen?«
»Dein Freund hat mich angerufen. Der andere.« Er versuchte erfolglos seine Missbilligung zu verbergen. »Jörg hat nachgeforscht. Ich bin also nicht der Einzige, der dem Kerl nicht traut. Irgendwo in Nevada und auch in der Nähe von Trondheim und Zürich sind tatsächlich Morde geschehen, die Stockmann exakt im Buch beschreibt. Passend bis ins schaurigste Detail. Wobei seine Beschreibungen noch weitergehen als die offiziellen Informationen, die der Presse zugänglich waren.«
Mischa spürte einen unangenehmen Druck in der Kehle. Es war ein Fehler, sich einzumischen. Alexandra schaltete immer auf stur, wenn man versuchte, sie zu schützen. Er hätte es vorher wissen müssen.
»Na und? Das beweist nichts. Vielleicht hat er nur die Pressemeldungen gelesen und den Rest erfunden. Dichterische Freiheit. Deshalb wolltet ihr mich warnen? Da ist nichts! Verstehst du. Lächerlich!« Sie knallte die leere Tasse auf die Spüle. »Ich bin kein Baby, auf das ihr aufpassen müsst. Eure Phantasie geht mit euch durch. Keinem von euch beiden bin ich Rechenschaft schuldig, klar? Tobias ist ein interessanter und aufregender Mann und ich werde mir diese Beziehung von niemandem kaputt machen lassen!«
* * *
Er hasste die Frau. Aber der Meister wollte sie haben. Er durfte ihr nichts tun, solange der Meister sie begehrte. Seine Haut unter dem neuen Sweatshirt juckte. Das gleiche Modell, die gleiche Farbe, aber trotzdem war es falsch. Nichts kam dem Genuss gleich, den er durch die Berührung Seines Pullovers verspürt hatte. Nichts! Und diese Frau durfte Ihn selbst berühren, obwohl sie nichts wusste und nichts verstand. Er presste das Gesicht an den leeren Rucksack. Ein seelenloser Gegenstand, egal, wie er ihn drehte und wendete. Der Reißverschluss zerkratzte seine Wange. Enttäuscht warf er den Rucksack in die Zimmerecke. Vielleicht konnte er doch versuchen, die Frau zu kriegen. Der Meister hatte sie angefasst. Vielleicht fühlte sie sich gut an.
* * *
Viel Arbeit war schon immer die beste Methode, um private Reibereien hinter sich zu lassen. Auch diesmal. Alexandra genoss jeden Einsatz, der den ungemütlichen Start in der Küche in den Hintergrund rückte. Im Dienst stand nichts zwischen ihr und Mischa. Kommunikation und Abstimmung funktionierten zu hundert Prozent. Kurz hintereinander wurden drei Fälle von Trickdiebstahl aus einer Einkaufspassage gemeldet. Eine einfache Masche, aber effektiv. Ablenken, rempeln und im Gedränge Portemonnaies aus Jacken und Einkaufstaschen ziehen. Schnell hatten sie die Spur aufgenommen. Die Diebe waren keine Unbekannten. Eine klare Sache also und doch verzwickt. Alexandra empfand eine tief sitzende Frustration, obwohl sie die Täter erwischt hatten. Minderjährige, noch unter vierzehn und damit nicht strafmündig. Ein
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