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Ich bin ein Mörder

Ich bin ein Mörder

Titel: Ich bin ein Mörder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brigitte Pons
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Gespräch zur Verfügung stellen.«
    Sie hielten sich nur kurz mit Höflichkeitsfloskeln auf. Jörg spürte einen mächtigen Adrenalinschub durch seine Adern rauschen.
    »Was verbindet Sie mit Ihrem Mörder, Herr Stockmann? Hat er authentische Züge?«
    »Selbstverständlich hat er die. Haben Sie mein Buch denn nicht gelesen?«
    »Also, ehrlich gesagt …«
    Ungehalten fiel ihm Stockmann ins Wort. »Ich habe schon erwartet, dass Sie sich entsprechend vorbereiten!«
    »Oh, das habe ich durchaus getan. Nur, muss ich gestehen, dass sich mir bei der Lektüre Ihres Buches gelegentlich der Magen umdrehte und ich einige Passagen übersprungen habe.«
    Tobias Stockmann lachte verächtlich.
    »So, so, ein zartes Gemüt! Aber ehrlich, immerhin. Zu Ihrer Frage: Ja, es verbindet mich vieles mit meinem Mörder. Sehr vieles. Ein Schriftsteller gibt immer einen Teil seiner selbst, wenn er schreibt.«
    »Und welcher Teil ist das im vorliegenden Fall?«
    Jörg versuchte, kühl und distanziert zu bleiben, was ihm ausgesprochen schwerfiel, während er Stockmanns Blicken ausgesetzt war, der das Gespräch sichtlich genoss. Jetzt lachte er wieder.
    »Das wird mein Geheimnis bleiben. Hier setze ich auf die Phantasie und Intuition meiner Leser!«
    »Man darf Sie also ungestraft für größenwahnsinnig halten?«
    »Was der Einzelne denkt, darauf habe ich keinen Einfluss. Natürlich ist nicht jeder dieser Aufgabe gewachsen. Fehlurteile und Diffamierungen trafen alle großen Geister der Geschichte. Semper aliquid haeret!«
    »Da stimme ich Ihnen zu. Etwas bleibt immer hängen. Auch ich habe mein Latein gelernt. Man sagt aber auch, dass in jedem Gerücht ein Funken Wahrheit steckt. Sollten Sie den Diffamierungen da nicht besser entgegenwirken?«
    »Wozu?«
    »Um die Tatsachen klarzustellen. Fiktion und Realität zu trennen. Oder stört es Sie etwa nicht, wenn mancher insgeheim glaubt, Sie wären ein brutaler Mörder und hätten den einen oder anderen Mord, den Sie beschreiben, tatsächlich begangen?«
    »Wieso nur den einen oder anderen? Warum nicht gleich alle? Einen solchen Verdacht aufkommen zu lassen, käme das für Sie nicht in Frage an meiner Stelle?«
    »Garantiert nicht. Wir sind, was das betrifft, wohl sehr verschieden.«
    »Was das betrifft. Aber wir sind nicht so verschieden, wie Sie gerne glauben möchten.«
    »Wie meinen Sie das?«
    »Wir leben für den schönen Schein, fürs Rampenlicht, für eine gute Story, für den Erfolg.«
    Jörg spitzte die Lippen. Nicht schlecht.
    »Haben Sie jemals im Team gespielt, Herr Stockmann?«
    »Nein.«
    »Warum nicht?«
    »Die Besten jagen allein. Und die Klügsten.«
    »Ist nicht das Jagen im Rudel erfolgreicher und der Aufwand, den der Einzelne treiben muss, geringer?«
    »Nur die Schwachen brauchen die Hilfe und den Schutz des Rudels. Es birgt auch Gefahren, mit der Meute zu ziehen. Wer mit den Wölfen heult, wird leicht zu ihrer Beute.«
    »Inwiefern?«
    Ungeduldig beugte Stockmann sich nach vorn.
    »Sie wissen das! Ein Leben mit den Medien ist ein Leben unter Wölfen, Hyänen, Aasfressern! Wer sich Fehler erlaubt, wird fallengelassen und ohne Gnade zerfleischt. Das Potential wird ein letztes Mal genutzt, indem man die Reste ausweidet. Rücksichtslos. Auch wenn man vorher zum Rudel gehörte. Sie und ich, wir trotzen den Hyänen. Wie ich bereits sagte, wir spielen das gleiche Spiel. Wenn auch auf unterschiedliche Weise. Wir sind ebenso manipulativ, wie die Welt um uns manipulierbar. Und wir nutzen unsere Chancen.«
    Jörg schüttelte leicht den Kopf, ging auf die letzte Bemerkung aber nicht ein.
    »Sie beziehen – nein, ich muss es präzisieren – Ihr Mörder bezieht sich wiederholt auf Friedrich Dürrenmatt. Wo sehen Sie entscheidende Gemeinsamkeiten oder auch Unterschiede, in Ihrer Herangehensweise an das Thema Verbrechen? Wie stehen Sie persönlich zu seinem Werk?«
    Stockmann ließ sich Zeit mit der Antwort, goss sich ein Glas Wasser ein und trank einen Schluck.
    »Dürrenmatt verwischt in seinen Büchern die Grenze zwischen Gut und Böse, huldigt fast perfekten Mördern und rachsüchtigen Kommissaren. Ich gehe den entscheidenden Schritt weiter, hebe die Grenze auf, gebe dem Mörder die Genialität, die es braucht, um auch das letzte Tabu zu brechen: ihn gewinnen zu lassen. Wie kommt es wohl, dass dieses Buch trotzdem verlegt wurde? Wie kommt es, dass die Menschen es verschlingen und lieben? Weil es möglich macht, was bisher unmöglich war, sich eins zu fühlen mit der Bestie! Weil

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