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Ich bin ein Mörder

Ich bin ein Mörder

Titel: Ich bin ein Mörder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brigitte Pons
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nicht so leicht. Es hat einen Grund. Istanbul wäre konsequent gewesen, die Brücke über den Bosporus, wie bei Dürrenmatt.«
    »Eine Kopie?«
    »Okay, also darum nicht Istanbul. Auch eine Stadt in der Schweiz hätte sich angeboten, in Anlehnung …«
    »So viel Anerkennung steht ihm nicht zu!«
    »Ich dachte, du verehrst Dürrenmatt? So wie Goethe, den du gern zitierst. Oh – ist er der Grund für den Mord in Frankfurt?«
    »Goethe!« Verächtlich spuckte er den Namen aus. »Ja, ich zitiere ihn. Aber ich liebe ihn nicht. Im Gegenteil. Ein Genie, aber inkonsequent und launenhaft, kein roter Faden im Leben. Ein zufälliges vor sich hin Existieren und Arbeiten.«
    »Zufällig?«
    »Nicht zielgerichtet, wahllos, wie seine Liebschaften.«
    Sie musste lachen, auch über sein in Falten gelegtes Gesicht, das Abscheu ausdrückte.
    »Bist du nicht ganz ähnlich, wenn ich mir diesen Einwand erlauben darf? Außerdem dachte ich, du glaubst an die Zufälligkeit des Lebens.«
    »Des Lebens an sich! Aber darum darf ich mich noch lange nicht treiben lassen. Ich kann, ich muss dem entgegenwirken, solange ich die Möglichkeit habe. Ein Genie ohne Ziel vergeudet seine Kraft.«
    »Verstehe ich nicht. Du sagst, du bist ein Nihilist. Dann ist es doch unerheblich, ob man im Leben ein Ziel verfolgt oder erreicht, wenn sowieso nichts am Ende zählt.«
    »Am Ende, ganz recht. Aber solange ich lebe, zählt das Hier und Jetzt, der Lustgewinn und das Ego. Wenn ich das aus den Augen verliere, dann kann ich mich auch gleich erschießen.«
    »Vielleicht solltest du deine Erwartungen an dich und andere ein wenig zurückschrauben, damit lebt es sich leichter.«
    Seine rechte Hand legte sich langsam über ihre Kehle.
    »Es gibt keinen größeren Trost für die Mittelmäßigkeit, als dass das Genie nicht unsterblich sei.«
    Der Druck auf ihren Hals erhöhte sich.
    »Meinst du damit mich? Bin ich mittelmäßig?«
    Er reagierte nicht sofort. Dann schüttelte er den Kopf, ein leichtes Lächeln huschte über sein Gesicht. Seine Hand zog sich zurück.
    »Das war nur wieder eine Aussage deines Freundes Goethe. Du bist penetrant, mein Engel, unbeugsam. Das ist alles andere als Mittelmaß.«
    Sie grinste versöhnt. »Wunderbar, dann kann ich ja weitermachen. Also, zurück zu deinem Verhältnis zu Frankfurt?«
    Erneut blickte er forschend und nachdenklich in ihre Augen, ohne auf ihre Bemerkung einzugehen.
    »Willst du mein Engel sein, Alexandra?«
    Sie kuschelte sich an ihn. »Ich weiß nicht. Wenn ich an dein Buch denke, dann sind da nur Todesengel, Racheengel – ein ziemlich mörderisches Pack! Vorher waren Engel für mich immer klassische Schutzengel. So kenne ich das aus meiner Familie.«
    »Familie!« Nichts als Verachtung lag in dem Wort. »Wer braucht die schon? Nur weil sie dich gemacht haben in einem Anflug von Dummheit. Du schuldest ihnen nichts. Du verdankst ihnen nichts.«
    »Dein Leben aber schon.«
    Alexandra rieb ihr Bein an seinem, zog ihn noch ein wenig näher.
    »Dafür soll man dankbar sein, meinst du? Ist es etwa ein Grund zur Freude, ein Mensch zu sein? Wenn man schon unbedingt an Gott glauben will, und das muss man wohl, wenn man an Engel glaubt, kann man doch nicht ernsthaft annehmen, der Mensch sei sein Meisterwerk! Ein Sack aus Haut, gefüllt mit Fleisch und Knochen. Weiter nichts. Dazu ein paar elektrische Impulse. Das soll die Krone der Schöpfung sein? Mit einer unsterblichen Seele? Auch diesen Schwachsinn redet dir deine Familie ein. Und damit haben wir wieder den Bogen über die Familie zu den Engeln. Um wie vieles besser, edler und Gott ähnlicher sind sie gestaltet. Nur Pech für sie, wenn sie seinen Ansprüchen nicht genügen. Dann schmeißt er sie raus. Degradiert, erniedrigt sie. Schon mal daran gedacht, dass wir vielleicht nichts weiter sind als himmlische Querulanten, die hier ihre Strafe absitzen? Raus aus dem Paradies und ab durch den Geburtskanal, unter Schmerzen mit reichlich Blut, entsorgt auf diesem verdammten Planeten. Ausgesetzt, wo Anarchie und Darwinismus herrschen. Der Starke gewinnt und alles Jammern und Beten ist vergebens.«
    Sie richtete sich leicht auf, um ihm ins Gesicht zu sehen. »Das denkst du doch nicht wirklich!«
    »Es ist nur eine Theorie. Eine Idee, nichts weiter. Um sie denen entgegenzuhalten, die es nicht lassen können, vom lieben Gott zu träumen. Aber wenn es so wäre, sag, auf welcher Seite wolltest du dann stehen? Wenn das hier die Strafe ist, wozu noch Rücksicht nehmen?« Er löste

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