Ich bin ein Mörder
wahrscheinlichsten.«
Sebastian schnellte aus dem Sessel hoch. »Klar doch, weil ich ja immer nur Scheiß erzähle. Aber Mischa hat ihn auch gesehen. Ihr könnt ja ihn fragen, wenn ihr mir nicht glaubt!«
»Natürlich glauben wir dir, Basti.« Irene versuchte wie immer zu beschwichtigen. »Aber vermutlich war das ein Polizist.«
»Trotzdem schadet es nicht, wenn ihr vorsichtig seid.«
Markus schnaubte verächtlich und Sabrina rollte die Augen. Conrad konnte deutlich sehen, dass er ihre Überzeugung, er ließe sie überwachen, nicht ins Wanken brachte. Er hatte nichts erreicht. Gar nichts.
Erbost dachte er an das Gespräch mit Stockmann.
Es ist so leicht, die Polizei auszuspielen, dass es eigentlich keinen wirklichen Spaß mehr macht. Sie sind so blind und fühlen sich so sicher.
Jemand gab sich Mühe, sein Gefühl der Sicherheit zu vertreiben. Und er war damit durchaus erfolgreich.
Freitag, 02. November
Gut gelaunt machte Robert Wagner sich auf den Weg in die Kantine. Endlich war die ersehnte E-Mail eingetroffen, die hoffentlich Licht in die leidige DNA-Geschichte brachte. Er suchte immer noch nach dem Mann, dessen genetische Spuren im Pullover von Tobias Stockmann aufgetaucht waren, und der möglicherweise mit dem Fall Hirschberger in Verbindung stand. Nach wie vor konnte das nicht als unzweifelhaft angesehen werden. Er selbst war ausgesprochen skeptisch. Natürlich waren Parallelen zu dem Mord in Stockmanns Buch vorhanden, und dass das Auftauchen des gestohlenen Pullovers just an diesem Tag in der Nähe des Tatorts ein reiner Zufall gewesen sein sollte, erschien wenig glaubhaft. Trotzdem, Beweise sahen anders aus. In Ermangelung weiterer Anhaltspunkte und mit einem verbissenen Conrad Neumaier im Genick, kämpfte Robert sich scheibchenweise durch pedantische Vorgaben, um hinter das Geheimnis des Opfers aus der DNA-Datei zu kommen. Statt sofort zu lesen, hatte er sich den E-Mail-Anhang ausgedruckt. Er musste ohnehin in Papierform der Akte hinzugefügt werden. Da konnte er das Gute mit dem Nützlichen verbinden und den ganzen Kram entspannt beim Frühstück durchgehen.
Er gönnte sich einen großen Becher Kaffee, der hier viel besser schmeckte als aus Conrad Neumaiers Kaffeemaschine. Dazu wählte er ein Stück Apfelkuchen und setzte sich auf einen der orangeroten Stühle am Fenster zum Innenhof.
Bisher wusste er nur, dass Dirk Heppner bei der Bundeswehr gewesen war. Ein unauffälliger, ruhiger Rekrut, der sich nach der Grundausbildung verpflichtet hatte. Für acht Jahre. Er studierte auf diesem Weg und verlängerte seine Zeit anschließend noch einmal. Ein gewissenhafter Soldat. Keine Einträge in der Personalakte. Bis zu einem nicht näher beschriebenen Vorfall am Rande eines Herbstmanövers, nach dem er die Truppe verließ. Robert spießte ein Stück Kuchen auf und nahm den neuen Ausdruck zur Hand. Er war gespannt, wie man seine Nachfrage zu diesem Thema beantwortet hatte. Er überflog die spärlichen Zeilen und seine Kaubewegungen wurden immer langsamer.
»So ein blödsinniger Bürokratenscheiß!«, schimpfte er und warf die Gabel auf den Teller. »Wie soll man denn da vernünftig ermitteln?«
Die E-Mail speiste ihn mit Floskeln ab. Zuständigkeits- und Kompetenzprobleme, die vorab geklärt werden mussten. Schweigepflichten, die keine Herausgabe von Details zuließen. Man vertröstete ihn und versprach, sich zu melden, sobald die Bedenken ausgeräumt waren. Alles, was man ihm gab, war ein Austrittsdatum. Damit endete die Akte. Und der Zivilist verschwand von der Bildfläche.
* * *
Unruhige Träume trieben Mischa aus dem Bett, nach gerade mal drei Stunden Schlaf. Liegen zu bleiben war zwecklos. Also stand er auf, schaltete die Kaffeemaschine ein und schnürte die Laufschuhe. Es war nur ein Weg von wenigen Minuten bis zum Sportgelände. Dort wollte er auf der Tartanbahn seine Runden drehen, bis der Kaffee fertig und sein Kopf klar war. Aber draußen, vor der Haustür entschied er sich plötzlich anders und kehrte Niederrad den Rücken. Er hatte keine Lust, irgendjemandem zu begegnen. Der Wald begann fast unmittelbar hinter dem Haus. Nebel nahm ihm die Sicht zwischen den Bäumen.
Darling, when the morning comes and I see the morning sun, I want to be the one with you. Von Morgensonne konnte nicht die Rede sein. Und ein Darling, der bereit war, morgens mit ihm aufzuwachen, war auch nicht in Sicht. Mischa erhöhte das Tempo. An guten Tagen schaffte er die Strecke bis zur neuen Commerzbankarena in
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