Ich bin ein Mörder
Freund. Heute ersparte sie sich jeden Anflug schlechten Gewissens. Ihr Liebesleben war nach langer Funkstille in den letzten Wochen zu einem chaotischen Durcheinander mutiert, da kam es nicht mehr darauf an, dass sie den nackten Hintern ihres Partners anstarrte. Er musste es ja nicht unbedingt mitkriegen. Immerhin hatte sie nur in sein Gesicht geschaut, als er auf sie zukam. Alles Weitere wäre doch zu peinlich gewesen. Obwohl …
Energisch stand sie auf und wischte den Gedanken beiseite.
»Ich koche Kaffee. Du kannst sicher einen brauchen, oder?« Sie wartete nicht auf eine Antwort. »Mir fehlt auf jeden Fall einiges an Schlaf, da muss eine große Dosis Koffein sein.«
»Wenn ich nur daran denke, wird mir wieder elend.«
»Mann, ich bin echt eine doofe Nuss!« Die Kaffeedose in der Hand verharrte sie in der Bewegung. »Wir hätten ins Krankenhaus fahren sollen, heute Nacht. Wer weiß, was das war, was dich so gebeutelt hat. Wir haben das Gleiche gegessen und getrunken und mir fehlt rein gar nichts.«
Mischas Gesicht war aschfahl. Er sah erbärmlich aus.
»Setz dich wieder. Ich hole dir ein Glas Wasser.«
»Ich will nichts. Hör auf, mich zu bemuttern, ja?« Seine Gegenwehr blieb schwach und er trank sofort, als sie ihm das Glas reichte.
»Aber das ist doch seltsam, oder etwa nicht? Was, wenn man versucht hat, dich zu vergiften?«
»In unserem Stammlokal? Du machst Witze. Keine besonders guten.«
»Natürlich nicht. Ich dachte eher …« Sie schluckte. Kein guter Gedanke.
»Dein gefährlicher Galan? Was hätte er davon? Außerdem hat es mich nicht umgebracht.«
»Klar. Du hast ja alles gründlich wieder ausgekotzt. Trotzdem. Ich könnte mir in den Hintern beißen, im Krankenhaus hätten sie dir gleich den Magen ausgepumpt und jetzt wüssten wir, was drin war.«
»Na schönen Dank. War nicht nötig. Kam doch alles ganz von selbst wieder raus.«
»Aber was war es? Verstehst du, dass ist doch wichtig!«
»Es war mein Abendessen. Weiter nichts. Entspann dich. Du machst dich noch verrückt wegen dem Möchtegern-Mörder. Entschuldigung. So gut ist der nicht, dass er überall die Finger im … Oh, Scheiße!« Das Glas glitt aus seiner Hand, als er sich hochstemmte und Richtung Badezimmer stürzte. Ehe er sich wieder übergeben konnte, packte Alexandra ihn an der Schulter und hielt eine Schüssel unter. Da war eine feine rote Spur.
»Was soll das? Willst du ein Andenken an unsere gemeinsame Nacht?« Routiniert reichte Alexandra ihm ein nasses Tuch und unterdrückte das Erschrecken. Mischa hatte das Blut nicht bemerkt. Zeit, zu handeln.
»Wenn du immer noch nicht in ein Krankenhaus willst, fahren wir jetzt zu Ozzy. Versuche nicht, mir das auszureden. Das Andenken nehme ich ihm mit.«
»Es ist Samstagmorgen, da wird er …«
»… hocherfreut sein, uns zu sehen. Ist schon klar. Sein Dienst müsste seit zwei Stunden um sein.«
Alexandra verfrachtete Mischa in den Wagen und rüstete ihn erneut mit einem Eimer aus. Zügiger als erlaubt durchquerten sie das Wohngebiet. Kein Mensch war zu sehen. Das diesige Wetter verlockte nicht dazu, früh aufzustehen. Sie folgte der Bundesstraße an der Galopp-Rennbahn vorbei und bog unweit des Gerichtsmedizinischen Instituts rechts in eine Seitenstraße ab. Dort parkte sie gegen jede Verkehrsregel quer auf dem Bürgersteig vor einer der Villen. Ozzy bewohnte das ganze Untergeschoss.
Alexandra drückte den Daumen auf den Klingelknopf, bis er fast gefühllos war. Man hörte Ozzy deutlich, noch bevor er an der Tür ankam.
»Scheiße, wenn das nicht wichtig ist, erschieße ich das Arschloch da draußen!«
Alexandra zog das Genick ein. »Ozzy, wir brauchen deine Hilfe!«, platzte sie heraus, ehe er etwas sagen konnte.
»Was ist los?« Er warf einen verschlafenen Blick auf Mischa. Plötzlich hellwach, streckte er die Schultern, dass es knirschte, griff beherzt zu und zerrte Mischa durch die Tür. »Sehe schon.«
Drinnen roch es nach Desinfektionsmittel, nassem Hund und kalter Pizza. Eine Mischung, die schon einem gesunden Magen Probleme bereiten konnte. Ozzy bemerkte davon längst nichts mehr. Diese typische Duftnote umwehte ihn und seine Wohnung ständig. Ein Tribut an seine drei Leidenschaften. Seinen übergroßen Hund, sein Grundnahrungsmittel, das er mindestens zweimal täglich zu sich nahm, und sein Labor im Keller. Alexandra und Mischa hatten schon etliche Abende gemeinsam mit ihm, dem Hund und reichlich Pizza auf dem Sofa im Wohnzimmer verbracht. Immer mit dem
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