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Ich bin ein Mörder

Ich bin ein Mörder

Titel: Ich bin ein Mörder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brigitte Pons
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Ende fand man ihn in seiner Werkstatt. Verblutet. Ein tragischer Unfall unter Alkoholeinfluss? Es war bekannt, dass er regelmäßig trank. Zugegeben, um an einen Unfall zu glauben, musste man selbst eine Menge getrunken haben. Aber die Skandinavier trinken gerne zu viel. Viel zu viel. Exzessiv. Neben dem Restalkohol ergab die Obduktion Spuren eines Teeaufgusses. Fatal zu glauben, man könne die Rauschwirkung im Griff behalten. Ich kann nur davon abraten. Zumindest davon, es selbst zu trinken. Es zu verabreichen jedoch und zu beobachten, bereitete mir großes Vergnügen! Aber Sie haben ein Recht darauf, die ganze Geschichte zu hören.
    Unter dem Vorwand einer Reifenpanne verschaffte ich mir Zugang zu seinem Haus. Ich schmierte ihm Honig ums Maul, wie man gerne sagt. Es kostete mich keine Überwindung, obwohl er ein widerlicher, fetter Kerl war. Unappetitlich. Ein bisschen geheucheltes Interesse, ein Hauch von Bewunderung, wofür auch immer, und du erreichst alles, was du willst. Ich blieb drei Tage. Langsam steigerte ich die Dosis. Schöne Bilder, schöne Träume. Er verstand nichts von diesen Dingen. Hatte nie im Leben Drogen konsumiert. Abgesehen von stinkendem, schwarzem Kautabak, den er in alle Ecken rotzte. Was genau in meinem Tee steckte, wollte er gar nicht wissen. Aber trinken wollte er ihn. Am liebsten den ganzen Tag. Ich versicherte ihm, dass er gut verträglich war. Nein, keine Abhängigkeit zu erwarten.
    Ich habe nicht zu viel versprochen! Er hat nach drei Tagen aufgehört, den Tee zu trinken. Kommen Sie, Kommissar, schauen Sie nicht so verbiestert. Lachen Sie mit mir! Ich schwöre es, nach drei Tagen hat er nicht mehr danach verlangt. Gut, ich gebe zu, er hat dann auch nicht mehr geatmet. Sie verleiten mich dazu, abzuschweifen. Lassen Sie mich die Geschichte abkürzen. Showdown. Der letzte Akt. Die letzte Tasse Tee. Seine Pupillen erweiterten sich, er sprach ohne Unterbrechung, er weinte, schrie, warf mit Möbelstücken um sich, um direkt anschließend hysterisch zu lachen und mir um den Hals zu fallen. Er starrte Löcher in die Wand, redete mit imaginären Besuchern, dann steckte er beinahe die Küche in Brand und ging in die Werkstatt. Ich folgte ihm in gebührendem Abstand, blieb von da an für ihn außer Sicht. Seine Raserei steigerte sich zusehends. Er brüllte wie ein Vieh. Nichts Menschliches mehr zu erkennen. Dann packte er die Kettensäge. Welch himmlisches Geräusch! Obwohl Fanfaren angemessener gewesen wären. Ich bin mir sicher, er hörte sie, die Engelstrompeten. Ich ließ sie für ihn erschallen. Mächtig, übermächtig, überwältigend. Er sägte alles kurz und klein. Die Kette fraß sich durch die gesamte Einrichtung. Sie wissen, was geschieht, wenn die Halluzinationen zu stark werden? Er sah sein Gesicht im Spiegel über dem Waschbecken, das er bereits aus der Wand gerissen hatte. Satan, brüllte er. Satan! Nur dieses eine, einzige Wort verständlich, während der ganzen Zeremonie. Satan! Der Spiegel splitterte und der Satan vervielfachte sich.
    Nie werde ich diesen Laut vergessen. Verzweifelt und entschlossen. Aus der Mitte seines Bauches heraus wuchs er, wie das Donnern einer Lawine, die alles verschlingt. Dann vernichtete er den Satan in blinder Besessenheit. Hob das Werkzeug und senkte es mit feierlicher Geste. Die Kettenglieder tränkten sich mit Blut, sammelten es, schleuderten es gegen die Wände, lösten Fetzen aus dem Fleisch. Sehnen und Fasern zerrissen. Jaulend drang die Säge in den Oberschenkel vor. Splitternd durchtrennte sie den Knochen. Sein Triumphgeschrei übertönte ihren Gesang, noch lange nachdem er auch das zweite Bein des Satans erbeutet hatte. Und sie sang weiter, lag neben ihm, während er lachend das warme rote Blut beobachtete, das aus den Stümpfen strömte.«
    * * *
     
    Am frühen Nachmittag kehrte Mischa nach Hause zurück. Er war immer noch schwach auf den Beinen. Der Schlüssel fiel ihm aus der Hand. Als er sich bückte, wurde neben ihm die Wohnungstür aufgerissen.
    »Markus?« Im Eingang stand Irene, das schmale Gesicht noch blasser als sonst, die Augen gerötet.
    »Nein, nur ich. Was ist los?«
    »Er ist weg. Seit gestern.« Sie legte eine Hand vor den Mund, um die aufsteigenden Tränen zu unterdrücken.
    »Sicher ist er bei einem Freund.«
    »Ich habe sie alle angerufen.«
    »Alle, die Sie kennen«, korrigierte Mischa vorsichtig.
    »Wissen Sie mehr als ich?«, hoffnungsvoll hob sie den Kopf.
    »Ich weiß nur, dass Eltern selten alle Freunde ihrer

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