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Ich bin ein Mörder

Ich bin ein Mörder

Titel: Ich bin ein Mörder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brigitte Pons
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drauf.
    »Dein Wille geschehe. So willst du es doch haben, nicht wahr?«
    Sein Lachen vibrierte in der Tiefe ihres Unterleibs.
    »So will ich es haben. Du bist mein Engel. Bis in alle Ewigkeit!«
    * * *
     
    Ozzy kratzte sich die Stirn unter den zotteligen schwarzen Haaren. Im Krankenhaus bändigte er sie zu einem dünnen Zopf. Er hatte sich geschworen, die Haare genauso lang wie Ozzy Osbourne zu tragen. Ihm zu Ehren zierte eine fette Fledermaus seinen linken Oberarm. Jeden Tag packte ihn aufs Neue ein merkwürdiges Staunen, wenn er den weißen Kittel überzog und alle ihn Herr Doktor Sauer nannten. Raimund. Der Rocker in ihm konnte das nicht so recht begreifen. Aber Raimund Sauer war ein begnadeter Internist und hatte sich im internen Duell gegen sein Alter Ego Ozzy und dessen Leidenschaft für die Pathologie durchgesetzt. Leben retten. Das übertraf einfach alles.
    Jetzt widmete er seine ganze Aufmerksamkeit den von Mischa mitgebrachten Texten und Notizen zu Stockmann und Dürrenmatt.
    »Literatur, Logik und die Philosophie des Nichts. Noch ’ne Nummer größer ging es nicht, oder?« Er kraulte Sam hinter dem Ohr, der genießerisch die Augen schloss.
    »Das müsste für den ganzen Abend reichen und vielleicht sogar noch für die Nacht. Aber ich krieg das alleine nicht auf die Reihe.«
    »Nihilismus ist ein verdammt abstrakter Begriff. Was genau muss man sich darunter vorstellen?«
    »Stockmann«, knurrte Mischa, »reicht völlig, wenn du dir den vorstellst. Oder seinen gefühllosen Mörder.«
    »Schönen Dank. Geht es ein bisschen unpersönlicher?«
    Den Kaffeebecher in der Hand lehnte Mischa sich zurück und zog ein Bein auf den Sessel.
    »Ich habe keine perfekte Definition. Nur folgende Einschätzung, was Nihilismus bedeutet: Es ist vollkommen unerheblich, was wir in unserem Leben tun. Am Ende bleibt nichts. Wir sind nur ein Produkt des Zufalls. Eine Laune der Natur und verschwinden in der Leere nach dem Tod. Es gibt keinen tieferen Sinn. Ob du gut bist oder böse, ist irrelevant. Kein Richter, keine Strafen am Lebensende. Das 11. Gebot greift: Du sollst dich nicht erwischen lassen. Denn dein Tun hat nur Konsequenzen, wenn du dumm genug bist, dich von Menschen richten zu lassen. Sie sind die einzige Instanz, die dir Schwierigkeiten machen kann. Intelligenz zählt, Gerissenheit. Und du darfst dir keine Schwächen oder Sentimentalitäten erlauben, wenn du die eigene Existenz so gestalten willst, dass du den größtmöglichen Lustgewinn erzielst. Dabei kannst du weder Rücksichtnahme noch Skrupel oder Moral gebrauchen.«
    Ein ungewohnt langer Vortrag für Mischa. Erstaunt nahm Ozzy zur Kenntnis, dass er sich offensichtlich schon seit längerem mit dieser Frage beschäftigte. Die Sache mit Stockmann ging eindeutig viel tiefer, als er gedacht hatte. Vermutlich tiefer, als es auch Mischa ahnte. Ozzy legte die Füße auf den Tisch neben die Pizzaschachtel und angelte nach einem weiteren Stück.
    »Gut. Jetzt bin ich einigermaßen im Bilde. Dann hast du recht, was das Buch hier betrifft. Der olle Dürrenmatt war nicht konsequent. Mal heißt es, sein Verbrecher handelt aus einer Laune heraus und nicht, um ein Ziel zu erreichen, dann lässt er ihn sagen: Es ist noch jeder umgekommen, der sich mit mir beschäftigt hat. Das bedeutet aber planmäßiges Handeln und eben nicht ein Spiel mit dem Zufall.«
    »Siehst du, das Buch ist voll von solchen Widersprüchen. Und Stockmann hat das entweder ignoriert oder nicht bemerkt. Was wiederum heißt, dass er längst nicht so perfekt ist, wie er immer behauptet.«
    »Was hast du noch?«
    »Er bezieht sich dauernd auf das Buch ›Der Richter und sein Henker‹ und den ultimativen Bösewicht darin, den angeblichen Nihilisten.«
    Ozzy träufelte zum dritten Mal Tabasco auf sein Pizzastück, faltete es zusammen und stopfte es komplett in den Mund.
    »Umpd?«
    »Was dieser Mann außer dem einen Mord auf der Brücke, der ganz am Anfang steht, noch verbrochen hat, wird nirgends erwähnt. Seine Nihilismusneigung ist ebenfalls eher unscharf und uneindeutig. Dagegen gibt es einen weiteren Roman mit dem gleichen Kommissar, wo es einen bei Weitem perfideren Vertreter dieser Glaubensrichtung gibt.«
    Mühsam würgte Ozzy den halbzerkauten Brocken herunter.
    »Du meinst, Stockmann hat geschlampt?«
    »Yes, Sir! Das perfekteste Arschloch von allen hat geschlampt. Und wenn er an dieser Stelle unsauber gearbeitet hat, dann gibt es sicher noch mehr Fehler zu finden!« Mischas Augen erfüllte ein

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