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Ich bin ein Mörder

Ich bin ein Mörder

Titel: Ich bin ein Mörder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brigitte Pons
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aufhören, Alexandra. Lass die Finger von ihm, sonst gibt es eine Katastrophe.«
    »Das ist deine Bedingung?«
    »Ja. Keine weiteren intimen Treffen mit Jörg, sonst rühre ich keinen Finger.«
    Sie senkte den Kopf. Reumütig, wie er glauben sollte. In Wahrheit nur, damit er ihr Grinsen nicht sah.
    »Also gut.« Sie seufzte demonstrativ. »Die Sache ist zu wichtig. Ich nehme deine Bedingung an.«
    Zufrieden drückte er ihr einen Kuss auf die feuchten Haare.
    »Sehr vernünftig!«
    Sie nickte. Er musste nicht wissen, dass sie die Geschichte mit Jörg längst beendet hatte.
    * * *
     
    Conrad Neumaier hängte den Hörer in die Gabel. An der Wand vor ihm, über dem Aktenschrank, hing eine runde Uhr mit Datumsanzeige. Stumm tickte sie vor sich hin. Er mochte den Anblick der ruhig und stetig fließenden Zeit, obwohl er es hasste, zu warten.
    Markus war noch immer nicht nach Hause gekommen. Irene stand deshalb kurz vor einem Nervenzusammenbruch. Er nicht. Er kannte Markus, auch wenn sie ihm einreden wollte, dass das nicht so war. Markus war schließlich sein Sohn und sie waren einander ähnlich. Sehr ähnlich. Hartnäckig, unbeugsam, unnachgiebig. Eigenschaften, die er an sich als positiv bewertete, weil sie für einen Polizisten hilfreich waren. An einem Sechzehnjährigen wirkten sie in erster Linie stur. Doch mit dem eigenen Vater eine Rangordnung auszufechten, war in diesem Alter wohl normal. Und keiner von ihnen war gewillt, klein beizugeben. Wenn er von sich selbst ausging, konnte es durchaus noch eine Weile dauern, bis Markus bereit war, zurückzukommen. Und bis er selbst bereit war, Irenes Sorge ernstzunehmen.
    Die Arbeit lenkte ihn einstweilen ab. Gab eine klare Richtung vor, der er unbeirrt folgte. Solange er die Schreibtischschublade nicht öffnete, in der sich ein weiteres Problem versteckte: die Postkarten, die regelmäßig bei ihm eintrafen. Eine hatte er gestern zwischen den Seiten der Tageszeitung gefunden. Heute Morgen steckte eine weitere hinter dem Scheibenwischer seines Wagens. Dieses alberne Spiel wollte er nicht mitspielen und sich nicht auf eine weitere Machtprobe einlassen. Er ahnte, wie er es beenden konnte. Aber er dachte gar nicht daran, sich unter Druck setzen zu lassen. Einzulenken, einen Fehler einzugestehen, den er nach wie vor nicht als Fehler sah. Sein Gegenüber war ein Maulheld, der sich gerne wichtig machte. Er durfte die Postkarten nicht als echte Bedrohung ansehen. Er durfte keine Zusammenhänge herstellen, wo es keine gab. Andernfalls gestattete er diesem Mann, seine Schritte zu lenken. Und das sollte ihm nicht ein zweites Mal gelingen.
    Verärgert drehte er einige Runden durch sein Büro und blieb kurz am Fenster stehen. Symbolisch kam ihm das vor. Er trat auf der Stelle, drehte sich um sich selbst, statt voranzukommen. Privat genauso wie beruflich. Markus, die Postkarten und der Mord am Eisernen Steg. Wenigstens bei Letzterem gab es erste minimale Fortschritte. Robert Wagner hatte in den letzten Tagen die zweite DNA-Spur aus dem Fall Hirschberger bis nach Detmold verfolgt. Eine üble Sache, die, wie Neumaier durchaus verstand, niemand an die große Glocke hängen wollte. Verdammt schädlich für das Image der Truppe. Heute endlich hatte die Bundeswehr ihnen einen Einblick in die Unterlagen gewährt. Wobei Einblick eigentlich zu viel gesagt war. Ein paar Daten und sorgsam ausgewählte Fakten ließ man ihnen zukommen. Aber weder die komplette Dienstakte, noch das psychologische Gutachten. Immerhin äußerte sich auch der damals zuständige Stabsarzt in einer kurzen Telefonaudienz, soweit ihm das im Rahmen seiner Schweigepflicht möglich war.
    Neumaier kehrte zu seinem Schreibtisch zurück, er hatte die Worte noch genau im Ohr.
    »Dirk Heppner wurde in seiner Einheit gemobbt, was offenbar jeder wusste – aber gehandelt hat niemand. Und das jahrelang. Vermutlich war es die einfache, klare Struktur, die ihn dennoch zum Bleiben bewegte. Auch wenn er in der Hierarchie ganz unten stand, vermittelte diese ihm ein Gefühl der Sicherheit. Einen festen Platz. Den Platz des Verlierers, den ihm niemand streitig machte.«
    Und der Kerl duckte sich und erduldete alles, in der irrigen Annahme, dadurch doch dazuzugehören. Seine Schüchternheit und soziale Ungeschicklichkeit führten zu Spekulationen. Man munkelte, man tratschte, sagte ihm alle erdenklichen sexuellen Perversionen nach.
    Neumaier blätterte durch die Gesprächsnotizen. Ein extrem labiler Mensch, hatte der Psychologe gesagt. Und das

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