Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Ich bin ein Mörder

Ich bin ein Mörder

Titel: Ich bin ein Mörder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brigitte Pons
Vom Netzwerk:
unterlegen zu fühlen. Die Sicherheit und Selbstverständlichkeit, mit der er seine Auffassung vertrat. Im Buch wie im Leben. Klar und eindeutig. Vielleicht eine weitere Lüge – aber souverän vorgetragen. Er selbst konnte nicht mal das. Woran glaubst du? Egal, wie oft er das Flüstern vernahm, er wusste keine Antwort.
    In die Stille hinein schrillte das Telefon.
    »Hallo, Kleiner. Lust auf ein Bier?«
    Ausgegrübelt. Automatisch musste Mischa lächeln. Jörg – das bedeutete Frohsinn, Übermut, Freundschaft.
    »Kannst du vorbeikommen und welches mitbringen? Bin nicht in der Stimmung, wegzugehen.«
    »Ist was?«
    »Nein, nichts.« Jörg wusste noch nichts von dem durchkotzten Wochenende. »Doch. Nein. Später.«
    »Wow, so genau wollte ich es gar nicht wissen. Mach dich locker, Mann. Die Nacht ist lang. Wir kriegen das wieder hin. Was auch immer es ist!«
    * * *
     
    Die Lichter der Häuser auf der anderen Seite des Ufers warfen in der Dunkelheit glitzernde Reflexe auf den Fluss. Die Nähe zum Wasser erweckte den Anschein von Leichtigkeit, versetzte schnell in Urlaubsstimmung. Heute jedoch fühlte Alexandra sich unwohl seit sie Tobias’ Wohnung betreten hatte. Ihre heimlichen Nachforschungen belasteten sie, errichteten eine unsichtbare Barriere, die auch der Sex mit ihm nicht hatte beseitigen können. Aber sie war nicht bereit, einfach aufzugeben. Ihn aufzugeben. Die Situation ließ sich retten, wenn er mitspielte. Freiwillig gab, was er bisher verweigerte.
    Sie drehte dem Fenster den Rücken und beobachtete, wie er zwei Gläser mit Wein füllte und auf dem Tisch neben dem Schachbrett abstellte. Abwartend schaute er sie an und sie schlenderte näher, spielerisch langsam.
    »Erzähl mir mehr. Von dir«, bat sie leise. »Was hast du früher gemacht? Bevor du geschrieben hast.« Sie schmiegte sich an, schnurrend und schmeichelnd wie eine Katze, lauschte auf seinen Herzschlag. »Du bist doch hier in Frankfurt aufgewachsen. Warum bist du weggegangen, warum wiedergekommen?«
    Er schob sie ein Stück von sich.
    »Hast du dich nicht vor Kurzem über die neugierigen Pressefritzen beschwert? Und jetzt löcherst du mich.«
    »Das ist was anderes. Ich dachte wir«, sie stockte. Gab es dieses Wir überhaupt? Sie versuchte einen neuen Anlauf. »Du sprichst nur über die jüngere Vergangenheit und gerne über die Zukunft. Du sprichst über dich als Autor. Was mich aber viel mehr interessiert, ist der Mensch Tobias Stockmann.«
    »Der Mensch. Menschen sind unvollkommene Wesen.«
    »So ist das nun mal. Ich bin auch ein Mensch.«
    Er reagierte nicht, rückte nebenbei eine der Schachfiguren zurecht. Schwarzer Läufer in Schlagdistanz zu einem weißen Bauern. Alexandra ließ nicht locker.
    »Die Presse hat nie über deine Kindheit geschrieben. Woran liegt das? Ich meine, bei jedem Null-acht-fünfzehn-Promi drucken sie Babyfotos ab und berichten banale Begebenheiten, die irgendein Schulkamerad ausplaudert.«
    Sein Kopf schnellte nach oben. »Welcher Schulkamerad?«
    »Irgendeiner findet sich immer. Aber bei dir nicht. Es müsste doch genügend alte Bekannte geben, die scharf darauf sind, ins Rampenlicht zu treten und ein paar Euro zu kassieren.«
    »Ich war vermutlich ein langweiliger Schüler, an den sich niemand mehr erinnern kann. Einer von den farblosen Strebern, die keinen bleibenden Eindruck hinterlassen.«
    »Du? Nie im Leben!«
    »Na gut, Frau Kommissarin. Denken Sie nach, lassen Sie ihre kriminalistischen Fähigkeiten spielen. Wieso spricht keiner über mich?« Er packte sie, zog ihr Gesicht dicht vor seines, dann biss er ihr in die Unterlippe. »Warum nur?«, flüsterte er.
    »Sie fürchten sich vor dir.« Plötzlich war es ganz klar. »Sie haben Angst, dir in die Quere zu geraten, deinen Zorn auf sich zu ziehen. Du warst ein unbequemer Mensch.«
    »Mensch – schon wieder dieses Wort! Und wieso war? Bin ich es jetzt nicht mehr?«
    »Nicht für mich.« Seine undurchschaubare Aggression erregte sie nach wie vor. »Ich finde dich nicht unbequem. Schwierig vielleicht, aber spannend. Unglaublich spannend. Mehr noch als dein Buch. Und alles, was ich versuche, ist, herauszufinden, wo die Unterschiede sind. Wo das Buch aufhört und du anfängst. Du versuchst das zu verwischen, du spielst damit, aber ich will die Spuren wieder aufdecken. Für mich. Nur für mich. Ich will dich finden, hinter all dem Versteckspiel. Sprich mit mir!«
    »Du machst einen Fehler Alexandra. Suche nicht nach mir. Sonst begibst du dich wirklich in

Weitere Kostenlose Bücher