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Ich bin ein Mörder

Ich bin ein Mörder

Titel: Ich bin ein Mörder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brigitte Pons
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Gefahr.«
    »Bin ich das nicht schon?«
    Er betrachtete ihr Gesicht, ohne eine Emotion zu zeigen.
    »Wie groß die Gefahr ist, liegt bei dir. Wir alle haben eine Vergangenheit, und solange wir nicht tot sind, haben wir auch alle eine Zukunft. Deine Zukunft ist noch offen.«
    Alexandra hob sich auf die Zehenspitzen und berührte flüchtig seine Lippen. »Wenn du wieder nicht über die Vergangenheit sprechen willst, sprichst du dann mit mir über das Geheimnis in deinem Buch? Wieso ist es so geworden? Wieso hast du die Geschichte aus Sicht des Mörders geschrieben? Ist das nicht schwierig?«
    »Nein. Für mich nicht.« Er zog sie zu sich, Hüfte an Hüfte. »Es macht die Geschichte authentischer.«
    »Du kannst dich wirklich in einen Mörder hineinversetzen?«
    Seine Hände suchten ihren Körper, und sie fühlte seine Lippen, weich an ihrem Hals.
    »Tun das Profiler nicht auch? Rhetorische Frage, bemüh dich nicht um eine Antwort. Ich weiß, wie ein Mörder denkt, denn ich bin ich ein Mörder – so steht es geschrieben, schwarz auf weiß. Die meisten meiner Leser glauben inzwischen mit absoluter Sicherheit daran. Du immer noch nicht?«
    Sie saugte an seinem Ohrläppchen, ehe sie antwortete.
    »Bin mir nicht sicher. Oh, jetzt weiß ich es, Sympathie! Durch die Ich-Perspektive fühlt man sich dem Mörder näher, es schafft eine intensivere Verbindung, wenn man in seine Gedanken einbezogen wird. Man soll ihn sympathisch finden, trotz seiner abstoßenden Grausamkeit. So wie in dem Buch ›Das Parfüm‹. Der Typ ist irre, aber eigentlich fehlt ihm doch nur Liebe. Darum findet man ihn nicht nur schrecklich, sondern bedauernswert und gewinnt ihn trotz allem gern.«
    Abrupt ließ er sie los. »Völlig falsch. Das war nie meine Absicht. Sympathie ist irrelevant. Ein bemitleidenswerter Irrer auf der Suche nach Anerkennung? Wie banal, Alexandra. Hochachtung vor der Perfektion soll den Leser erfassen! Was du für Grausamkeit hältst, ist nichts weiter als konsequent umgesetzter Nihilismus.«
    Unsicher streckte sie die Hand nach ihm aus und hakte einen Finger in seine Gürtelschlaufe ein.
    »Ich weiß nicht recht.«
    In seinen Augen brannte die gleiche Leidenschaft wie bei seiner Ausführung über Luzifer, den verstoßenen Engel.
    »Aber ich weiß! Es steckt in uns allen. Der Drang zu töten. Der Wunsch, es einfach zu tun, ohne über Konsequenzen nachzudenken. Nur um zu spüren, wie es ist, wenn man einem anderen das Leben nimmt. Das auszuleben ist meine Freiheit. Absolut losgelöst zu sein von jedem Zwang. Und das ist es, was die Leser fesselt. Auch dich – gib es ruhig zu. Es jagt dir Schauer über den Rücken. Wohliges Entzücken, lesen zu dürfen, wonach es dich verlangt, und was du selbst dich doch nicht wagen würdest.«
    »Wie bitte?« Verblüfft ließ sie ihn los und zog sich einen Schritt zurück.
    »Was dich abstößt, sind nicht die Morde. Es ist die Perfektion! In dem Punkt sind sich alle Menschen gleich. Bedauerlicherweise. Und niemand ist ehrlich genug, es zuzugeben. Ich gebe dir ein Beispiel und mache es dir leicht, mir zu folgen. Sieh dich an. Du bist eine gut aussehende Frau. Nicht schön, aber interessant. Ich weiß, ich weiß: Im Deutschen lügt man, wenn man höflich ist , und wenn man Goethe folgen will. Aber jetzt und hier ist kein Platz für unaufrichtige Schmeicheleien. Du kannst zufrieden mit dir sein. Aber bist du das? Was empfindest du, wenn du in einer Zeitschrift ein Model siehst? Unterschwelligen, verdrängten Hass. Neid. Wegen ihrer Perfektion, die dir fehlt. Tröste dich, auch jedes Model verbirgt irgendwo einen Fehler. Niemand ist wirklich perfekt. Außer mir, genau genommen!«
    Er lachte dieses merkwürdige Lachen, bei dem sie sich zu fragen begann, ob es wirklich selbstironisch war.
    »Der makelbehaftete Mensch fürchtet den Makellosen. Führt er ihm doch die eigene Schwäche und Unzulänglichkeit vor Augen! Ergo flüchtest du in die Schutzbehauptung von Grausamkeit, weil du die Virtuosität des Mörders nicht besitzt.«
    Er war ihr fremd. Beängstigend. Beängstigend vor allem seine Theorie, weil sie den Funken Wahrheit darin erkannte.
    »Du erwartest also reine Bewunderung für deinen Mörder?«
    »Absolut! Er ist ein Genie. Wenn du das nicht siehst, hast du rein gar nichts verstanden!«
    »Nein. Vielleicht habe ich das nicht. Aber ich sehe, wie du dich veränderst. Du wirst deiner Romanfigur immer ähnlicher. Du sprichst wie er, du gibst vor, wie er zu denken, du machst seine Einstellung

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