Ich Bin Ein Schwein
plötzlich wild auf und ergoss sich mit einem schweren Seufzer tief in ihr. Einen Augenblick lang verharrte er so, schwer atmend. Dann zog er sich ruckartig aus ihr zurück.
Julie atmete auf. Beinahe wäre sie gegen ihren Willen gekommen. Genau wie in ihren heimlichen Träumen. Sie wusste, dass er es bemerkt hatte.
Als er die Hand von ihrem Mund nahm, schrie sie nicht. Sie hielt die Augen geschlossen und wünschte, er ginge. Der Unbekannte verharrte noch kurz vor ihrem Bett, warf einen bedauernden Blick auf ihren Körper und floh dann hinaus in die Nacht.
Julie blieb allein zurück. Noch immer pochte es süß in ihrem Schoß. Als sie sich weinend auf die Seite drehte, fiel das Messer polternd zu Boden. Lange blieb sie betäubt auf dem Bett liegen und starrte auf die Klinge. Dann ging sie ruhelos im Zimmer auf und ab und griff schließlich zu ihrem Handy. Als sie schon Antoines Nummer gewählt hatte, ließ sie die Hand wieder sinken. Was sollte sie ihm sagen? Dass sie eben vergewaltigt worden war und dabei fast gekommen wäre? Dass ihr der Sex mit dem Fremden mehr Lust verschafft hatte, als diese verschämten Nächte mit ihm im Dunkeln unter der Bettdecke?
Oder sollte sie gleich zur Gendarmerie gehen? Diesen Gedanken wischte sie sofort wieder weg. Sie dachte an die Blamage, den gleichgültigen, gelangweilten Beamten das Erlebte schildern zu müssen. Noch eine Demütigung. Sie stellte sich vor, wie ein dicklicher, uniformierter Dorfpolizist gierig alle Einzelheiten erfragte. Dann fiel ihr ein, dass sie den Fremden vielleicht fassen und ihr gegenüberstellen würden und dass er den Beamten erzählen würde, dass es ihr doch gefallen habe, dass sie davon feucht geworden sei und wie sie ihm vor Lust das Becken entgegengestemmt hätte. Nein, niemals ginge sie zur Gendarmerie. Entschlossen steckte sie ihr Telefon wieder in der Tasche. Dann duschte sie, stopfte ihre zerschnittene Unterwäsche in den Mülleimer und zog sich frische Kleidung über. Als sie wieder im Zimmer stand, musste sie weinen. Schluchzend warf sie sich aufs Bett und schlief erst gegen Morgen ein.
Als sie erwachte, war bereits Mittag vorüber. Wie betäubt erhob sie sich, unschlüssig, was jetzt zu tun sei. Dann ergriff sie hastig den Rollkoffer. Ihr Blick fiel auf das lange Bowiemesser, das noch immer auf dem Boden lag. Nach kurzem Überlegen hob sie es auf und verstaute es unter ihrer Jacke. Sie stolperte die Treppe herunter, warf das Geld auf die Theke und rannte zum Wagen.
Sie packte den Trolley in den Kofferraum, riss die Wagentür auf, drehte den Zündschlüssel herum. Dann trat sie aufs Gas, der Motor heulte laut auf, die Reifen quietschten. Julie raste vom Hof, die schmale Ortsstraße entlang.
Dann plötzlich, nur wenige hundert Meter weiter, direkt vor der kleinen, steinernen Kirche, stoppte sie den Wagen. Sie ließ den Kopf auf das Lenkrad sinken, das sie noch immer krampfhaft umklammert hatte, und schloss die Augen.
Sollte sie den Täter selbst aufspüren? Das konnte nicht sehr schwer sein. Die Gegend war dünn besiedelt und sie konnte sich noch genau an sein Gesicht erinnern. Wie er ihr nachgestarrt hatte, mit seinen grauen Augen unten im Schankraum, wo das Messer schon neben ihm im Tisch steckte.
Und was, wenn sie ihn fand? Julie schauderte. Was, wenn er jetzt, gerade in diesem Moment vor ihr die Straße überquerte?
Julie griff sich an die Brust, fühlte unter der Jacke die harte Messerklinge. Ihr Herz schlug schneller. Sie dachte an die Demütigung, sie dachte an die Lust, die sie dabei empfunden hatte. Zehn Minuten lang saß sie so da, den Kopf voll wirrer Gedanken. Dann gab sie Gas und rollte suchend durch das Dorf. Auf den Straßen begegnete sie keiner Menschenseele, der Ort war wie ausgestorben. Nein, so würde sie ihn niemals finden. Vielleicht wohnte er ja auch ganz woanders? Als sie die Ortsdurchfahrt passiert hatte, gab sie auf, beschleunigte wütend das Auto und fuhr in Richtung Saint-Brieuc. An der ersten Kurve warf sie einen letzten, bösen Blick in den Rückspiegel, und da sah sie den Leuchtturm.
Abrupt trat sie auf die Bremse. Der Wagen schlingerte und kam erst nach einigen Metern zum Stehen. Es roch nach verbranntem Gummi. Julie saß stumm da und starrte weiter in den Rückspiegel. Der Leuchtturm! Was hatte der Alte gestern im Schankraum zu ihrem Peiniger gesagt, als sie gerade hereingekommen war? „Bist so selten hier. Musst morgen wieder den Schiffern heimleuchten?“
Heimleuchten! Der Leuchtturm! Er war also der
Weitere Kostenlose Bücher