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Ich bin eine Nomadin

Ich bin eine Nomadin

Titel: Ich bin eine Nomadin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ayaan Hirsi Ali
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leiden, die in Gefahr sind, wegen ihrer westlichen Lebensweise und Ansichten ermordet zu werden, die um Erlaubnis fragen müssen, wenn sie das Haus verlassen wollen, die keinen Deut besser als Leibeigene behandelt werden: gebrandmarkt und verstümmelt, ohne Rücksicht auf ihre Wünsche verkauft. Für eine echte Feministin sollten, meiner Meinung nach, diese Frauen oberste Priorität haben.
    Wir Frauen aus reichen Ländern sind geradezu verpflichtet, Hilfe für andere Frauen zu mobilisieren. Nur unsere Empörung und unser politischer Druck können einen Wandel herbeiführen. Wir müssen die Lage muslimischer Frauen ganz oben auf die Agenda setzen. Es reicht nicht zu sagen, das sei schockierend, abstoßend, und nur einzelne Handlungen zu verurteilen. Wir müssen die Stammeskultur auf der Basis von Ehre und Schande, wie sie in der islamischen Religion kodifiziert sind, infrage stellen und zu Fall bringen.
    Organisationen aus betroffenen Gemeinschaften werden Lobbyarbeit leisten und darum kämpfen, das Thema zu verschieben, auf der nächsten Stufe werden sie auf ihre Schutzbedürftigkeit und ihren Opferstatus verweisen. Ihre Fürsprecher unter den multikulturalistischen Intellektuellen und Beschwichtigungspolitikern werden sie unterstützen. Wir müssen unbedingt ein Bewusstsein dafür schaffen, dass das, worüber wir Frauenrechtler sprechen, zwei verschiedene Wertesysteme sind, zwischen denen ein Kompromiss nicht möglich ist.
    Musliminnen sind nicht die einzige Gruppe Frauen, die unterdrückt wird. Wie ich im Jahr 2006 in einem Artikel für die International Herald Tribune schrieb, »fehlen« zwischen 113 und 200 Millionen Frauen auf der ganzen Welt aus demografischer Sicht, und jedes Jahr kommen zwischen 1,5 und 3 Millionen Frauen und Mädchen als Folge von Gewalttaten oder Verwahrlosung wegen ihres Geschlechts ums Leben. Weibliche Babys und kleine Mädchen sterben in vielen Teilen der Welt, nicht nur in muslimischen Ländern, überdurchschnittlich häufig an Verwahrlosung. Der brutale internationale Sexhandel mit jungen Mädchen bringt ungezählte Frauen um. Grob geschätzt sechshunderttausend Frauen sterben jedes Jahr bei der Geburt, und häusliche Gewalt zählt in allen Ländern der Erde zu den Haupttodesursachen von Frauen. Der »Geschlechtermord« hat viele Gesichter, aber beim größten Teil dieser leidenden Frauen liegt es an der Armut. Die Unterwerfung der muslimischen Frauen hingegen ist eine Grundsatzfrage.
    Was kann man tun? Als Erstes brauchen wir eine weltweite Kampagne gegen Wertvorstellungen, die derartige Verbrechen zulassen. Wenn Frauen das Recht abgesprochen wird, über den eigenen Körper zu bestimmen, und sie nicht gegen die schlimmsten Formen körperlichen Missbrauchs geschützt werden, dann müssen solche Kulturkreise zu Veränderungen gedrängt werden. Sie dürfen nicht als geachtete Mitglieder der Gemeinschaft der Nationen behandelt werden. Menschenrechtsaktivisten sind frustriert; man verweigert ihnen Zugang zu Daten und schüchtert sie ein oder ignoriert ihre Mahnungen. Ernsthafte internationale Bemühungen sind nötig, um Gewalt gegen Mädchen und Frauen Land für Land zu dokumentieren und die Realität ihres unerträglichen Leids öffentlich zu machen.
    Noch dringender ist jedoch die Frage, was Feministinnen derzeit tun können, um zu verhindern, dass eine fremdartige Kultur der Unterdrückung im Westen Fuß fasst. Auch in Amerika und den meisten europäischen Ländern dürfen muslimische Mädchen von ihren Eltern aus der Schule geholt, zu Hause gewaltsam bestraft, obsessiv beobachtet und zwangsweise verheiratet, ja sogar im Namen der »Ehre« ermordet werden. Derart fundamentale und brutale Verletzungen der Frauenrechte müssen unverblümt angesprochen werden, darüber hinaus müssen unbedingt wirksame Maßnahmen zum Schutz muslimischer Mädchen entwickelt werden. Das Problem zu ignorieren heißt, die nächsten Opfer einfach ihrem Schicksal zu überlassen, schlimmer noch: Es heißt, dass wir die zentralen Wertvorstellungen aufgeben, auf denen unsere Gesellschaft basiert. Genau das können die Amerikaner aus der europäischen Erfahrung mit der muslimischen Einwanderung lernen: Die Amerikaner dürfen nicht die eigenen Grundsätze kompromittieren, indem sie Ehrenmorde, Genitalverstümmelung an Frauen und andere derartige Praktiken tolerieren.
    In den Niederlanden und in Großbritannien wurden Organisationen gegründet, die sich zum Ziel gesetzt haben, die Polizei, Schulen und andere

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