Ich Bin Gott
Kunststofftablett auf die Bank zwischen sie.
Sie holten die Hamburger aus der Schachtel und aßen schweigend. Das Menü war dasselbe wie beim letzten Mal, aber die Stimmung war eine ganz andere als vor ein paar Tagen, als sie am Meer auf Coney Island Hamburger verzehrt hatten. Damals hatte sich Russell ihr anvertraut, und sie hatte geglaubt, ihn zu verstehen.
Mittlerweile war ihr klar, dass sie nur verstanden hatte, was sie hatte verstehen wollen.
Es kommt darauf an, welchen Wolf du besser fütterst …
Das Klingeln des Handys unterbrach ihre Gedanken und brachte sie wieder ins Hier und Jetzt zurück. Die Nummer auf dem Display sagte ihr nichts. Sie stellte die Verbindung her.
» Detective Light.«
Eine bekannte Stimme drang an ihr Ohr.
» Guten Tag, Ms. Light. Hier ist Dr. Savine, einer der Ärzte Ihrer Schwester.«
Diese Stimme und diese Worte riefen Bilder hervor: Mariposa, die Klinik in Cresskill, Greta mit ihren bilderlosen, ins Leere blickenden Augen, die weißen Kittel, die Sicherheit und Angst zugleich bedeuteten.
» Ja bitte?«
» Leider habe ich keine guten Nachrichten für Sie.«
Vivien wartete mit geballten Fäusten auf das, was kommen würde. Die Sicherheit war verschwunden, und nur noch die Angst war geblieben.
» Der Zustand Ihrer Schwester hat sich ganz plötzlich verschlimmert. Wir wissen noch nicht, was zu erwarten steht, daher kann ich Ihnen leider nichts Konkretes sagen. Ich möchte aber so offen zu Ihnen sein, wie Sie es immer gewünscht haben.«
Vivien senkte den Kopf und ließ ihren Tränen freien Lauf.
» Natürlich, Dr. Savine. Ich danke Ihnen. Leider kann ich im Augenblick nicht weg hier.«
» Ich verstehe. Ich werde Sie auf dem Laufenden halten, Ms. Light. Es tut mir sehr leid.«
» Ich weiß. Vielen Dank noch mal.«
Sie beendete das Gespräch und sprang auf. Russell wandte sie den Rücken zu und wischte sich mit dem Handrücken die Tränen ab. Ihr erster Impuls war, alles stehen und liegen zu lassen und zu ihrer Schwester zu fahren, um mit ihr die wenige Zeit zu teilen, die ihnen noch blieb. Doch das konnte sie nicht. Zum ersten Mal in ihrem Leben verfluchte sie ihren Beruf und die Pflicht, die sie wie in einem Käfig gefangen hielt. Sie verfluchte diesen Mann, der sie mit seinem Wahn von den Menschen fernhielt, die sie liebte, und der ihr alles, was ihr wichtig war, nehmen zu wollen schien.
» Wir gehen.«
Russell hatte begriffen, dass sie eine schlechte Nachricht erhalten hatte, das war nicht zu übersehen. Auf ihre barsche Anweisung hin stand er auf, warf das Tablett in den Abfalleimer und folgte ihr schweigend zum Auto.
Vivien war ihm dankbar dafür.
Auf dieselbe Weise, wie sie gekommen waren, fuhren sie zum Revier zurück. Blinklicht und Sirene öffneten ihnen eine Schneise im Verkehr, eine Erleichterung, die manchmal teuer erkauft war.
Ihr Ziel erreichten sie, ohne ein Wort miteinander zu wechseln. Vivien fuhr, als hänge das Schicksal der Welt von der Geschwindigkeit ab, mit der sie zur Basis zurückkehrte, und immer wieder legte sich das Gesicht ihrer Schwester über die Fahrzeuge, die sie überholte.
Als sie schließlich den Sicherheitsgurt löste, fragte sie sich, ob Greta überhaupt noch lebte. Sie sah zu Russell hinüber und merkte, dass sie ihn völlig vergessen hatte.
» Entschuldige bitte. Heute ist kein guter Tag für mich.«
» Kein Problem. Sag Bescheid, wenn ich dir irgendwie helfen kann.«
Natürlich kannst du mir irgendwie helfen. Du könntest mich in den Arm nehmen und mich einfach ein Mädchen sein lassen, das sich an der Schulter eines Mannes ausweint und …
Sie schob diesen Gedanken beiseite.
» Danke. Es ist gleich vorbei.
Sie stiegen aus, betraten das Gebäude und gingen direkt zum Captain hinauf. Russells Anwesenheit wurde mittlerweile als Tatsache hingenommen, wenngleich nicht von allen akzeptiert. Ohne ins Detail zu gehen, hatte der Captain seinen Leuten erklärt, dass dieser Mann über alles informiert sei und mit Vivien an einem Fall arbeite, der seine ständige Anwesenheit erfordere. Vivien wusste, dass ihre Kollegen nicht dumm waren und früher oder später etwas ahnen würden. Für den Augenblick genügte es jedoch, dass sie, von ihrer schlechten Laune mal abgesehen, so taten, als wäre nichts.
Als der Captain sie ins Zimmer treten sah, blickte er von dem Papier auf, das er gerade unterschrieb.
» Nun?«
» Wir haben vielleicht eine Spur.«
Bellew schlug sofort die Mappe zu, und Russell und Vivien ließen sich vor dem
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