Ich Bin Gott
eingefangen.
Er seufzte tief.
Er hatte lange gebetet und dort nach Trost und Erleuchtung gesucht, wo er sie immer gefunden hatte. Der Glaube war immer seine Zuflucht gewesen, sein Ausgangspunkt und sein Ziel, und stets hatte er es erreicht, wie auch immer der Weg ausgesehen hatte. Dank seines Glaubens hatte er das Abenteuer mit dem Rehabilitationszentrum gewagt, und dank der Erfolge, die sie bei vielen jungen Leuten erzielten, hatte er es sich zu träumen erlaubt: im ganzen Staat Einrichtungen wie das Joy zu schaffen, damit junge, drogenabhängige Menschen sich nicht mehr wie Falter vor einer Kerze fühlen mussten. Dabei waren es die Jugendlichen selbst, denen er seine Stärke verdankte.
An diesem Vormittag jedoch hatte er versucht, seine Qual vor ihnen zu verbergen, hatte versucht zu lächeln, wenn es erforderlich war, und zu antworten, wenn er etwas gefragt wurde. Sobald er aber allein war, stürzte alles auf ihn ein, wie Gegenstände, die man nachlässig in einen Schrank gestopft hat.
Zum ersten Mal in seinem Priesterleben wusste er nicht, was er tun sollte.
In der Vergangenheit war er schon einmal in einer solchen Situation gewesen. Als er noch in der Welt gelebt und noch nicht begriffen hatte, dass er Gott und seinem Nächsten dienen wollte. Damals hatte er seine Ratlosigkeit und seine Ängste besänftigen können, indem er den Frieden des Seminars gewählt hatte. Dieses Mal war es anders. Kardinal Logan hatte er ohne besondere Hoffnungen angerufen. Wäre er in New York gewesen, hätte er sich in erster Linie mit ihm getroffen, um moralische Unterstützung zu erhalten, denn einen Dispens hätte er doch nie bekommen. Zumindest nicht innerhalb der notwendigen Zeit und zu den erforderlichen Bedingungen. Die strengen Regeln, die für diesen Bereich der Beziehung zu den Gläubigen galten, kannte er nur zu gut. Sie gaben dem Glauben einen Halt, indem sie den Menschen die Gewissheit gaben, das Sakrament der Beichte offen und ohne jede Angst empfangen zu können und im Tausch gegen die Reue von allen Sünden gereinigt zu werden. Die Kirche verurteilte ihn zum Schweigen und verurteilte damit Hunderte von Menschen zum Tod. Falls diese Attentate weitergehen sollten.
» Sie sind also der berühmte Pater McKean, der Gründer des Joy.«
McKean drehte sich zu der Stimme um. Er stand vor einer großen Frau in den Vierzigern. Ihr dunkles Haar war untadelig frisiert. Sie war zu stark geschminkt, zu elegant und vielleicht zu reich. In der Hand hielt sie zwei Gläser, bei deren Inhalt es sich wohl um Champagner handeln musste.
Die Frau erwartete keine Bestätigung. Sie hatte keine Frage gestellt, sondern nur etwas kundgetan.
» Man hat mir gesagt, dass Sie ein charismatischer und faszinierender Mann seien. Das finde ich bestätigt.«
Sie reichte ihm eines der Gläser. Verwirrt griff Pater McKean zu. Er hatte den Eindruck, dass die Frau es auch dann losgelassen hätte, wenn er es nicht genommen hätte. Dann wäre es auf dem Boden zerschellt.
» Ich heiße Sandhal Bones und bin eine der Organisatorinnen dieser Ausstellung.«
Die Frau drückte die Hand, die er ihr hingestreckt hatte, und hielt sie ein wenig länger fest als nötig. McKean spürte, wie sich Verlegenheit zu den Seelenzuständen hinzugesellte, die ihn ohnehin schon plagten. Er schaute weg und konzentrierte sich auf die Kohlensäureperlen in seinem Glas.
» Sie sind also eine unserer Wohltäterinnen.«
Mrs. Bones versuchte, die Sache herunterzuspielen, was ihr nicht gut gelang.
» Wohltäterin scheint mir ein allzu starker Ausdruck zu sein. Sagen wir mal, dass ich gerne helfe, wo Not am Mann ist.«
Pater McKean führte ohne große Überzeugung das Glas an die Lippen und trank einen kleinen Schluck.
» Es ist das Verdienst von Menschen wie Ihnen, dass das Joy überleben kann.«
» Und es ist das Verdienst von Menschen wie Ihnen, dass es das Zentrum überhaupt gibt.«
Sie hakte ihn unter. Ein zarter und zweifelsohne teurer Duft drang an die Nase des Priesters. Ihr Kleid raschelte.
» Und jetzt sehen wir uns die Werke Ihrer Schützlinge an. Man hat mir viel Gutes über sie erzählt.«
Mrs. Bones schob sich unbekümmert durch die Menschenmenge zur anderen Seite der Terrasse, die zum See hinausging.
Das Boathouse Café war ein elegantes Lokal mitten im Central Park. Man erreichte es über den East Drive. Es war ein einstöckiges Gebäude mit großen Fensterfronten, die es den Gästen erlaubten, mit Blick aufs Wasser und ins Grüne zu speisen. In der
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