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Ich Bin Gott

Titel: Ich Bin Gott Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Giorgio Faletti
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Zuschauers betrachtet, der seine Ängste hinter Sarkasmus verbirgt und zu betäubt durchs Leben hetzt, um zu erkennen, dass man seine Probleme nur vergessen kann, indem man sie löst. Als er das endlich begriffen hatte, hatte er eine neue Sicherheit gewonnen und in der Folge auch eine ungewohnte Gelassenheit. Selbst jetzt, da die Ungeduld an ihm zerrte, saß er ruhig auf seinem Stuhl und betrachtete ungerührt seine Umgebung.
    Er befand sich im Wartezimmer eines hochmodernen, von Philippe Starck geplanten und eingerichteten Büros, das in einem eleganten Wolkenkratzer an der 50 th Street ein ganzes Stockwerk einnahm. Glas, Leder, Goldverzierungen, eine gezielte Dosis Kitsch und ein wenig gewollte Verrücktheit. In der Luft lag ein Hauch von Pfefferminz und Zeder. Adrette Sekretärinnen und stilbewusste Mitarbeiter gingen lautlos umher. Alles zielte darauf ab, dass Besucher auf die rechte Weise empfangen und im rechten Maße überwältigt wurden.
    Es war die New Yorker Niederlassung von Wade Enterprise, des Unternehmens seines Vaters. Ein Konzern mit Sitz in Boston und diversen Büros in den wichtigsten Städten der Vereinigten Staaten und etlichen Hauptstädten der Welt. Die Interessen des Unternehmens verzweigten sich in die verschiedensten Richtungen: Baugewerbe, Militärtechnologie, Finanzprodukte, Rohstoffhandel, und da vor allem Öl.
    Russell betrachtete den tabakfarbenen Teppichboden mit dem Konzernlogo. Wenn man ihn nicht zu Herstellungskosten von einem Unternehmen der Gruppe bekommen hatte, dürfte er ein Vermögen gekostet haben. Alles um ihn herum zeugte von einer stillen und diskreten Huldigung an den Gott Mammon. Und an seine Anbeter. Die kannte er nur zu gut und wusste, wie treu sie waren.
    Russell hingegen hatte Geld nie viel bedeutet. Im Augenblick weniger denn je. Ihm war nur eines wichtig: Er wollte sich nicht mehr als Versager fühlen.
    Nie mehr wieder.
    Sein gesamtes bisheriges Leben über war er einer gewesen. Überall hatte er im Schatten gestanden. Im Schatten seines Vaters, im Schatten seines Bruders, im Schatten des Namens, den er trug, im Schatten des großen Hauses in Boston. Im Schatten der schützenden Fittiche seiner Mutter, die bis zu einem gewissen Punkt ihr Missfallen und die Verlegenheit, in die er sie mit seinem Verhalten immer wieder stürzte, hatte überwinden können. Jetzt war der Moment gekommen, sich aus diesem Schatten zu lösen und Risiken einzugehen. Er hatte sich nicht gefragt, was Robert unter den gegebenen Umständen getan hätte. Er, Russell, wusste es selbst. Die Geschichte, die er in den Händen hielt, konnte er der Welt nur erzählen, wenn er sie bis zum Ende verfolgte und dann von vorne begann.
    Allein.
    Im selben Moment, als ihm das aufgegangen war, hatte sich die Erinnerung an seinen Bruder verändert. Stets hatte er ihn in einer Weise idealisiert, dass er ihn nicht als Menschen hatte wahrnehmen können, als Menschen mit Vorzügen und auch mit Fehlern, die er über Jahre hinweg beharrlich übersehen hatte. Jetzt war Robert kein Mythos mehr, sondern ein Freund, dessen Andenken ihn begleitete, als Bezugsperson und nicht mehr als Idol, das auf einem allzu hohen Sockel stand.
    Ein Mann mit Glatze und Brille in einem untadeligen blauen Anzug betrat das Büro und ging zum Empfang. Russell sah, wie die Empfangsdame sich von ihrem Platz erhob und den Besucher in den Wartesaal führte.
    » Bitte, Mr. Klee. Wenn Sie die Freundlichkeit besäßen, einen kleinen Augenblick zu warten. Mr. Roberts empfängt Sie sofort.«
    Der Mann dankte mit einem Nicken und blickte sich nach einem Sitzplatz um. Als er Russell sah, musterte er mit einem Ausdruck von Abscheu seine zerknitterte Kleidung und setzte sich auf den am weitesten entfernten Stuhl. Russell war sich bewusst, dass seine Anwesenheit ein Misston in diesem gedämpften Reich der Harmonie und des guten Geschmacks war. Er musste lächeln. Offenbar war es schon immer sein größtes Talent gewesen, für die Welt den Kontrapunkt zu bilden.
    Mit aller Macht schossen ihm Viviens Worte in den Sinn, jene von jenem Abend, als er sie geküsst hatte.
    Ich weiß nur, dass ich keine Komplikationen möchte …
    Er hatte dasselbe erklärt, hatte aber im selben Moment gewusst, dass er log. Die Sache mit Vivien war etwas anderes, das spürte er. Es war eine Brücke, die er überqueren wollte, um zu entdecken, wer auf der anderen Seite war. Zum ersten Mal in seinem Leben war er nicht davongelaufen. Und hatte am eigenen Leib zu spüren bekommen,

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