Ich Bin Gott
mit dir geschehen? Wer hat dich so zugerichtet?«
Little Boss ließ sich so viel Zeit, wie ein Krieg lang ist, bevor er antwortete.
» Das ist eine lange Geschichte, Ben. Und eine ziemlich hässliche Geschichte. Bist du sicher, dass du sie hören möchtest?«
Ben lehnte sich zurück und ließ seinen Stuhl gegen die Wand kippen.
» Ich habe Zeit. Alle Zeit …«
» … und alle Männer, die wir brauchen, Soldat. Bis du und deine Kameraden begreifen werdet, dass ihr in diesem Land eine Niederlage erleidet.«
Die Hände auf dem Rücken gefesselt, saß er auf dem Boden. Er lehnte am Stumpf eines kahlen Baums, der sich sinnloserweise mit seinen Wurzeln in der Erde festklammerte. Vor ihm stieg die Morgendämmerung auf. Hinter sich spürte er die Nähe seines Kameraden, der auf dieselbe Weise ruhiggestellt war. Seit einer Weile schon sprach und bewegte er sich nicht mehr. Vielleicht hatte er ja einschlafen können. Vielleicht war er auch tot. Beide Vermutungen waren plausibel. Seit zwei Tagen saßen sie an diesem Ort fest, fast ohne etwas zu essen. Die Schmerzen an den Handgelenken und die Krämpfe im Hintern rissen einen immer wieder aus dem Schlaf. Er litt Hunger und Durst, und die verschwitzten und schmutzstarrenden Kleider klebten ihm an der Haut. Der Mann mit dem roten Band um den Kopf beugte sich zu ihm hinunter und ließ ihre Erkennungsmarken vor seinen Augen hin und her pendeln. Die Bewegung hatte etwas Hypnotisierendes. Dann betrachtete er die Vorderseite, als suchte er die Namen, die er doch so gut kannte.
» Wendell Johnson und Matt Corey. Was machen denn zwei nette amerikanische Jungs hier mitten in den Reisfeldern? Hattet ihr zu Hause nichts Besseres zu tun?«
Natürlich hatte ich das, du Idiot, du Arschloch.
Den Satz hatte er nur in seinem Kopf gebrüllt, denn wie diese Leute laut ausgesprochene Worte vergalten, hatte er bereits zu spüren bekommen.
Der Guerillakämpfer war ein magerer Typ unbestimmten Alters, überdurchschnittlich groß und mit kleinen, tiefliegenden Augen. Er sprach gut Englisch, mit kehligem Akzent. Es war einige Zeit vergangen
wie viel?
seit sein Kommando bei einem unvermuteten Angriff der Vietcong niedergemetzelt worden war. Außer ihnen beiden waren alle gestorben. Dann hatte das Martyrium begonnen: ständige Aufenthaltswechsel, Stechmücken, zermürbende Märsche, bei denen jeder Schritt nur mit äußerster Willenskraft zu leisten war, noch einer und noch einer und noch einer …
Und Prügel.
Gelegentlich stießen sie auf andere Kämpfergruppen, Männer mit den immer gleichen Gesichtern. Mit Fahrrädern transportierten sie Waffen und Vorräte über praktisch unsichtbare, in die Vegetation geschlagene Pfade.
Die einzigen Momente der Erleichterung
Wo bringen sie uns hin, Matt?
Ich weiß es nicht.
Weißt du, wo wir sind?
Nein. Aber wir schaffen das, Wen, keine Sorge.
und der Erholung.
Wasser, das gesegnete Wasser, das anderswo mit einer einfachen Drehung aus dem Wasserhahn floss, bedeutete für einen kurzen Moment das Paradies auf Erden und wurde ihnen von ihren Bewachern mit sadistischer Freude beschert.
Sein Bewacher wartete nicht auf eine Antwort. Er wusste, dass er keine bekommen würde.
» Tut mir leid, dass deine Kameraden alle tot sind.«
» Das glaube ich nicht«, entfuhr es Wendell.
Sofort spannte er in Erwartung einer Ohrfeige die Halsmuskeln an. Stattdessen trat in das Gesicht des Vietcong ein Lächeln, das nur der höhnische Ausdruck seiner Augen als grausam entlarvte. Schweigend zündete er sich eine Zigarette an. Dann sprach er mit neutraler Stimme, die seltsam aufrichtig klang.
» Du irrst dich. Ich hätte euch wirklich gerne lebend gehabt. Alle.«
Er sagte es in demselben Ton, in dem er gesagt hatte
» Keine Sorge, Corporal. Jetzt wirst du geheilt werden …«
worauf er Sid Margolin, der auf dem Boden lag und über eine Schulterverletzung klagte, in den Kopf geschossen hatte.
Von irgendwo hinter ihm kam das jaulende Geräusch eines Radios, dann trat ein anderer, sehr viel jüngerer Guerilla zu seinem Kommandanten. Die beiden wechselten ein paar eilige Worte in der unverständlichen Sprache dieses Landes, das Wendell nie begreifen würde.
Der Kommandant kam zurück und wandte sich an ihn.
» Der heutige Tag verspricht ziemlich vergnüglich zu werden.«
Er hockte sich vor Wendell nieder, sodass er ihm direkt in die Augen sehen konnte.
» Heute wird es einen Luftangriff geben. Es gibt zwar jeden Tag welche, aber heute wird es diese Gegend hier
Weitere Kostenlose Bücher