Ich Bin Gott
ja, der ganze Kopf des Mannes waren völlig entstellt, offenbar durch Narben von schrecklichen Verbrennungen. Vom Gesicht zogen sie sich weiter den Hals hinab und verschwanden im Hemdkragen. Das rechte Ohr war überhaupt nicht mehr vorhanden, während vom anderen ein winziger Rest übrig war, der wie ein Hohn am Schädel klebte, wo wulstig vernarbte Haut die Haare ersetzte.
Nur der Bereich um die Augen herum war unversehrt, und als Ben sich jetzt näherte, folgten ihm diese Augen mit einem eher ironischen als besorgten Blick.
» Wer zum Teufel bist du?«
Der Mann lächelte. Vorausgesetzt, dass das, was in seinem Gesicht zu sehen war, ein Lächeln genannt werden konnte.
» Danke, Ben. Wenigstens hast du mich nicht gefragt, was ich bin.«
Ohne um Erlaubnis zu bitten, nahm der Mann die Hände wieder herunter. Erst jetzt merkte Ben, dass sie in dünnen Stoffhandschuhen steckten.
» Ich weiß, dass ich kaum wiederzuerkennen bin. Allerdings hatte ich gehofft, dass wenigstens meine Stimme unverändert wäre.«
Ben Shepard riss die Augen auf. Das Gewehr sank unbemerkt hinab, als wären seine Arme plötzlich so schwach geworden, dass sie es nicht mehr halten konnten. Dann tauchte er aus seiner Sprachlosigkeit wieder auf.
» Heiliger Himmel, Little Boss, du bist es. Wir dachten alle, du seist …«
Der Satz blieb in der Schwebe, so wie ihre Leben die ganze Zeit über in der Schwebe geblieben waren. Der andere machte eine vage Geste.
» Tot?«
Der nächste Satz rutschte ihm heraus, ein laut gedachter Gedanke und eine heimliche Hoffnung.
» Und denkst du, ich bin es nicht?«
Ben fühlte sich auf einmal alt. Und er begriff, dass sein Gegenüber sich noch viel älter fühlte. Durch die unerwartete Begegnung völlig verwirrt, ging er, ohne wirklich zu wissen, was er tun oder sagen sollte, zur Wand und streckte die Hand nach einem Lichtschalter aus. Grelles Arbeitslicht verbreitete sich in der Halle. Als er noch eine weitere Lampe einschalten wollte, hielt ihn Little Boss mit einer Handbewegung zurück.
» Lass gut sein. Ich versichere dir, dass ich bei Licht auch nicht besser aussehe.«
Ben merkte, dass er feuchte Augen hatte. Er fühlte sich nutzlos und dumm. Dann tat er, was ihm sein Gefühl eingab. Er lehnte das Gewehr gegen einen Kistenstapel, ging zu diesem Soldaten, aus dessen Augen die Zerstörung sprach, und umarmte ihn.
» Verdammt, Little Boss. Wie schön zu wissen, dass du am Leben bist.«
Er spürte, wie sich die Arme des jungen Mannes um seine Schultern legten.
» Little Boss existiert nicht mehr, Ben. Es ist aber schön, hier bei dir zu sein.«
So verharrten sie einen Augenblick und fühlten sich wieder wie Vater und Sohn. Und es schwebte die absurde Hoffnung im Raum, dass es, wenn sie sich wieder voneinander lösen würden, ein ganz normaler Tag in der Vergangenheit sei und Ben Shepard, der Bauunternehmer, seinem Arbeiter Anweisungen für den nächsten Tag geben würde.
Sie lösten sich aus der Umarmung und waren dieselben wie zuvor.
Ben machte eine Kopfbewegung.
» Lass uns rübergehen. Da müssten noch ein paar Biere sein. Sofern du magst.«
Wendell lächelte und antwortete mit der früheren Vertrautheit.
» Lehne nie ein Bier von Ben Shepard ab, er könnte wütend werden. Außerdem ist es nicht schön, ihm in diesem Zustand gegenüberzustehen.«
Sie gingen ins Hinterzimmer, und Little Boss setzte sich aufs Bett. Ein paar Worte lockten Walzer sofort wieder aus seinem Versteck hervor, und er sprang auf Wendells Schoß.
» Warum hast du alles so gelassen, wie es war?«
Ben ging zum Kühlschrank und war froh, dass Little Boss ihm nicht ins Gesicht sehen konnte, als er antwortete.
» Vorahnungen eines Sehers oder unerschütterliche Hoffnungen eines alten Mannes. Nenn es, wie du willst.«
Er schloss die Kühlschranktür und drehte sich mit zwei Bieren in der Hand um. Mit dem Hals der einen Flasche deutete er auf die Katze, die mit ihren bescheidenen Bedürfnissen das Kraulen genoss.
» Ich habe dein Zimmer ab und zu saubermachen lassen. Und das Vieh, das du auf den Knien hast, habe ich jeden Tag gefüttert.«
Er reichte dem jungen Mann auf dem Bett sein Bier. Dann setzte er sich auf einen Stuhl, und sie tranken eine Weile schweigend. Sie wussten, dass ihnen drängende Fragen auf der Zunge lagen, die der andere kaum würde beantworten können.
Ben begriff, dass er den Anfang machen musste.
Mühsam zügelte er das Bedürfnis, woandershin zu schauen, als er seine Frage stellte.
» Was ist
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