Ich Bin Gott
mit dem er dieses Erlebnis kommentieren würde, könnte nur falsch sein.
Er beschloss, zur Gegenwart mit all ihren Ungewissheiten zurückzukehren.
» Und was hast du jetzt vor?«
Little Boss zuckte mit den Schultern.
» Ich brauche nur für ein paar Stunden einen Stützpunkt. Ich muss ein paar Leute treffen. Dann komme ich wieder, hole Walzer und verschwinde.«
Die Katze erhob sich gleichgültig, wie es ihresgleichen nun einmal ist, von den Knien ihres Herrn und machte es sich mit ihren drei Beinen auf dem Bett bequem.
Ben ließ den Stuhl wieder in die normale Position zurückkippen.
» Ich habe das dumme Gefühl, dass du dabei bist, dir Ärger einzuhandeln.«
Wendell schüttelte den Kopf und versteckte sich hinter einer Miene, die kein Lächeln mehr hatte.
» Ich kann mir gar keinen Ärger einhandeln.«
Er zog die Handschuhe aus und streckte Ben seine vernarbten Hände hin.
» Keine Fingerabdrücke, siehst du? Alles ausgelöscht. Egal was ich anfasse, ich hinterlasse keine Spuren.«
Er schien einen Augenblick nachzudenken, als würde er endlich die richtige Definition für sich finden.
» Ich existiere nicht mehr. Ich bin ein Geist.«
Die Augen, mit denen er Ben ansah, stellten hohe Forderungen und machten wenig Zugeständnisse.
» Gib mir dein Ehrenwort, Ben, dass du niemandem sagst, dass ich hier war.«
» Nicht einmal …«
Er fiel ihm ins Wort, trocken und bestimmt.
» Niemandem habe ich gesagt. Niemals.«
» Ansonsten?«
Ein Moment des Schweigens. Dann kamen aus dem gepeinigten Mund die eiskalten Worte eines Toten.
» Ansonsten bring ich dich um.«
Ben Shepard begriff, dass die Welt für diesen Mann untergegangen war. Nicht nur seine innere Welt, sondern auch die äußere. Ein Schauer lief ihm über den Rücken. Mit Männern seines Landes war er in einen Krieg gezogen, um gegen andere Männer zu kämpfen, die zu hassen und zu töten man ihm befohlen hatte. Nach dem, was dort geschehen war, hatte sich alles ins Gegenteil verkehrt.
Er war nach Hause zurückgekommen, und nun war er für alle der Feind.
6
Er saß im Dunkeln und wartete.
So lange hatte er auf diesen Moment hingefiebert, und jetzt, da er gekommen war, schien alles Drängen und alle Unruhe von ihm abgefallen. Als wäre seine Anwesenheit an diesem Ort völlig normal, vorherbestimmt, geplant. Wie das Morgengrauen oder der Sonnenuntergang oder irgendeine andere Sache, die einfach so sein musste und Tag für Tag immer so war.
Auf seinen Knien lag ein Colt M1911, die Dienstwaffe der US Army. Der gute Jeff Anderson, dem man seine Beine, nicht aber sein durchtriebenes Wesen genommen hatte, hatte ihm, ohne viel zu fragen, diesen Revolver besorgt. Und vielleicht hatte er das erste Mal in seinem Leben nichts dafür verlangt. In einen Lappen gewickelt, hatte die Waffe die gesamte Reise über in seinem Seesack gesteckt.
Sie war das einzig Leichte, das er mit sich führte.
Er saß in einem Wohnzimmer, in welchem in Hufeisenform ein Sofa und zwei Sessel standen und auf einen Fernseher an der Wand ausgerichtet waren. Eine ordentliche Einrichtung in einem ordentlichen amerikanischen Haus, das erkennen ließ, dass hier ein alleinstehender Mann wohnte. Reproduktionen an den Wänden, ein Teppich, der nicht gerade von Reinlichkeit zeugte, ein paar schmutzige Teller in der Spüle. Und überall kalter Zigarettenrauch.
Rechts war die Tür zur Küche, links eine weitere Tür, durch die man durch einen kleinen Vorraum in den Garten kam. Hinter ihm führte, von einem Mauervorsprung verdeckt, eine Treppe ins obere Stockwerk. Als er das Haus erreicht und festgestellt hatte, dass niemand da war, hatte er die Hintertür aufgebrochen und sofort alles inspiziert.
Die Stimme seines Ausbilders in Fort Polk hatte er noch gut im Ohr.
Zuerst Erkundung der Örtlichkeiten.
Nachdem er sich die Anordnung der Zimmer eingeprägt hatte, beschloss er, im Wohnzimmer zu warten, weil er von dort sowohl die Eingangstür als auch die Seitentür im Blick hatte.
Wahl der Position nach strategischen Gesichtspunkten.
Er setzte sich auf das Sofa und entsicherte den Revolver. Mit einem trockenen Geräusch glitt die Kugel in den Lauf. Trocken war auch sein Mund.
Überprüfung der Funktionsfähigkeit der Waffen.
Während er wartete, kehrten seine Gedanken zu Ben zurück.
Er sah noch seinen Blick, als er ihn bedroht hatte: keine Spur von Angst, nur Enttäuschung. Vergeblich hatte er versucht, die drei Worte auszulöschen, indem er das Thema gewechselt und die Frage
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