Ich Bin Gott
denn trotz seines Alters hatte er eine ziemlich volle Mähne, die ebenfalls gefärbt war. Er fuhr sich mit der Hand hindurch, als könnte er sich so besser erinnern.
» … achtzehn Jahre her.«
Das lag immer noch im Toleranzbereich, den der Gerichtsmediziner in seinem Obduktionsbericht angegeben hatte.
» Sind Sie sicher?«
» Absolut sicher. Wenige Tage später wurde mein jüngster Sohn geboren.«
Vivien holte aus der Innentasche ihrer Jacke eines der beiden Fotos, die sie mitgebracht hatte, und hielt es Chowsky unter die Nase.
» Ist das Mitch Sparrow?«
Der Mann brauchte das Foto nicht einmal in die Hand nehmen.
» Nein. Mitch war blond, und dieser Mann ist dunkelhaarig. Außerdem war er gegen Katzen allergisch.«
» Haben Sie den Mann hier schon einmal gesehen?«
» Nein, in meinem ganzen Leben noch nicht.«
Vivien dachte einen Augenblick darüber nach, was das bedeutete. Dann fragte sie weiter, wie es ihr Job verlangte.
» Was war Mitch für ein Typ?«
Chowsky lächelte.
» Als er zu uns kam, war er ein fanatischer Biker. Um sein Motorrad hat er sich besser gekümmert als um seine eigene Mutter. Außerdem sah er gut aus. Hat die Mädchen gewechselt wie Unterhosen.«
Chowsky schien jemand zu sein, der sich gerne reden hört. Vivien drängte.
» Und dann?«
Chowsky zuckte mit den Schultern und wollte wohl zum Ausdruck bringen, wie es im Leben so läuft.
» Eines Tages hat er ein Mädchen getroffen, das anders war als die anderen, und da ist er dann ebenfalls in die Falle getappt. Das Motorrad hat er immer weniger benutzt, dafür immer häufiger das Bett. Bis es schließlich so weit war. Bis das Mädchen schwanger war, meine ich. Da hat er sich eine Arbeit gesucht, und die beiden haben geheiratet. Zu seiner Hochzeit sind wir alle hin. Zwei Tage lang waren wir nur besoffen.«
Vivien hatte nicht die Zeit, sich die Erinnerungen eines alternden Motorradfahrers an jugendliche Saufgelage anzuhören. Sie wollte zur Sache kommen.
» Erzählen Sie mir von seinem Verschwinden. Was ist damals passiert?«
» Da gibt es nicht viel zu erzählen. Eines schönen Tages war er einfach weg. So mir nichts, dir nichts verschwunden. Seine Frau hat die Polizei angerufen. Bei mir waren sie auch und haben Fragen gestellt. Die vom 70 . Revier, glaube ich. Herausgekommen ist nichts dabei. Wie die Franzosen so schön sagen: Cherchez la femme.«
Der Mann freute sich, einen fremdsprachigen Satz anbringen zu können.
» Haben Sie noch Kontakt zu seiner Frau?«
» Nein. Sie ist noch eine Weile hier in der Gegend geblieben. Meine Frau hat sich ab und zu mit ihr getroffen. Doch ein paar Jahre nachdem Mitch verschwunden war hat sie einen anderen Mann kennen gelernt und ist weggezogen.«
Chowsky kam ihrer nächsten Frage zuvor.
» Wohin weiß ich nicht.«
» Erinnern Sie sich an ihren Namen?«
» Carmen. Montaldo oder Montero, das weiß ich nicht mehr. Sie war eine Latina, ein großartiges Weib. Wenn Mitch mit einer anderen abgehauen ist, dann hat er die größte Dummheit seines Lebens begangen.«
Vivien konnte Chowsky nicht sagen, dass Mitch diese Dummheit aller Wahrscheinlichkeit nach nicht begangen hatte. Vielleicht hatte er eine noch größere begangen, wenn er, wie sie vermutete, in eine Wand einbetoniert worden war. Aber diese bestimmt nicht.
Vermutlich würde sie von dem Motorradfreak im Augenblick keine weiteren Informationen mehr bekommen. Sie hatte einen Namen, einen Zeitpunkt und die Vermisstenanzeige einer Frau namens Carmen Montaldo oder Montero, wie auch immer. Jetzt musste sie das Protokoll finden und die Frau ausfindig machen.
» Ich danke Ihnen, Mr. Chowsky. Sie haben mir sehr geholfen.«
» Keine Ursache, Ms. Light.«
Sie ließen den Mann bei seinen Motorrädern und seinen Erinnerungen zurück und gingen zum Ausgang. Als sie gerade durch die Tür treten wollten, blieb Russell stehen. Er sah Vivien unentschlossen an, dann drehte er sich noch einmal zu Chowsky um, der schon wieder hinter seinem Tresen stand.
» Eine Frage noch, wenn Sie nichts dagegen haben.«
» Nur zu.«
» Was hat Mitch Sparrow beruflich gemacht?«
» Er war Bauarbeiter, und zwar ein guter. Sicher wäre er irgendwann Baustellenleiter geworden, wenn er dabeigeblieben wäre.«
21
Als sie sich ein paar Schritte von dem Geschäft entfernt hatten, holte Vivien ihr Blackberry heraus und wählte die Nummer von Captain Bellew. Es klingelte ein paarmal, dann meldete sich ihr Vorgesetzter.
» Bellew.«
» Alan, hier ist Vivien. Ich
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