Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Ich Bin Gott

Titel: Ich Bin Gott Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Giorgio Faletti
Vom Netzwerk:
schweigend, jeder in seine eigenen Gedanken versunken.
    » Willst du die Wahrheit über die Zweite Passion wissen?«
    Die Frage kam trocken und unvermutet. Vivien sah ihn an, doch Russell blickte übers Meer, die dunklen Haare vom Wind zerzaust. Seiner Stimme war anzumerken, dass dies ein wichtiger Moment für ihn war. Nach einer langen Reise war er nach Hause zurückgekehrt und hatte endlich im Spiegel ein Gesicht erblickt, dem er gerne ähnelte.
    Russell wartete Viviens Antwort gar nicht erst ab, sondern begann einfach zu erzählen. Wovon er sprach, gehörte zu den Dingen, denen Herz und Verstand nur selten gemeinsam zu folgen vermögen.
    » Mein Bruder Robert war zehn Jahre älter als ich. Er war ein besonderer Mensch, einer von denen, die freundlich, aber bestimmt von fast allem, das ihnen über den Weg läuft, Besitz ergreifen.«
    Vivien beschloss, dass es in solchen Momenten das Beste war, einfach nur zuzuhören.
    » Er war mein Idol. Und er war auch das Idol der Schule, der Mädchen und unserer Familie. Nicht weil er das unbedingt gewollt hätte, sondern weil es ihm schlicht gegeben war. In meinem ganzen Leben habe ich vermutlich selten einen größeren Stolz in der Stimme eines Mannes gehört, als wenn mein Vater über Robert sprach.«
    Er machte eine Pause, in der das Schicksal der Welt und der Sinn seines Lebens mitschwang.
    » Auch in meiner Gegenwart.«
    Wie ein Echo schossen Vivien Worte und Bilder durch den Kopf. Während Russell weitererzählte, gesellten sich zu seinen Worten Gesichter und Stimmen aus ihrem eigenen Leben.
    … und natürlich ist Greta zur Teamleiterin der Cheerleader ernannt worden. Nicht weil sie meine Tochter ist, aber ich sehe nicht, wer sonst dafür geeignet …
    » In allem wollte ich ihn imitieren, doch er war unerreichbar. Er war verrückt und kannte keine Grenzen. Er liebte es, Risiken einzugehen, Herausforderungen zu bestehen, sich mit anderen zu messen. Wenn ich jetzt darüber nachdenke, glaube ich, den Grund zu kennen. Der unerbittlichste Gegner, dem er sich jedes Mal gegenübersah, war er selbst.«
    … Nathan Green? Willst du damit sagen, Greta, dass du heute Abend von Nathan Green abgeholt wirst? Das kann ich kaum glauben. Er ist der tollste Junge …
    » Robert war unbezähmbar. Und immer schien er auf der Suche nach irgendetwas zu sein. Irgendwann hat er es dann gefunden, als er sich nämlich für Fotografie zu interessieren begann. Zuerst sah es so aus, als wäre es nur eine seiner tausend Ideen. Nach und nach stellte sich aber heraus, dass er wirklich begabt war. Er hatte die angeborene Fähigkeit, mit dem Objektiv bis in die Seele der Dinge und der Menschen vorzudringen. Wenn man seine Fotos ansah, hatte man den Eindruck, sie würden den äußeren Schein durchdringen und die Augen an Orte führen, an die sie von selbst nicht kamen.«
    … du bist wunderschön, Greta. In dieser Gegend hier hat man sicher nie eine schönere Braut gesehen. In der ganzen Welt vermutlich nicht. Ich bin stolz auf dich, meine Kleine …
    » Der Rest der Geschichte ist bekannt. Sein Hang zu Extremen hat ihn mit der Zeit zu einem der berühmtesten Kriegsreporter gemacht. Wo auch immer ein Konflikt war, da war auch er. Wer sich anfangs gefragt haben mochte, warum der Erbe einer der reichsten Familien von Boston durch die Welt reiste, um mit einer Nikon in der Hand sein Leben aufs Spiel zu setzen, ließ sich von den Ergebnissen überzeugen. Seine Fotos wurden in allen Zeitungen Amerikas veröffentlicht, in allen Zeitungen der Welt sogar.«
    … Polizeiakademie, sagst du? Bist du sicher? Abgesehen davon, dass es eine gefährliche Arbeit ist, glaube ich nicht, dass …
    Vivien riss sich zusammen und schob das alles von sich, bevor Gretas schönes Gesicht aus der Vergangenheit zu ihr kommen und sie an das Leid der Gegenwart erinnern würde.
    » Und du?«
    Sie hatte Russells Erzählung mit dieser einfachen Frage unterbrochen, ohne ihm erklären zu können, dass sie eigentlich an sie beide gerichtet war.
    » Und ich?«
    Russell wiederholte die Worte, als würde ihm jetzt erst klar, dass er in der Geschichte, die er gerade erzählte, auch einen Platz hatte. Einen eigenen Platz, den er sein ganzes Leben lang erfolglos gesucht hatte. Auf seinem Gesicht machte sich ein schüchternes Lächeln breit, und Vivien begriff, dass es seiner einstigen Naivität geschuldet war.
    » Ich wollte es ihm nachtun und habe auf dem Gebiet der Fotografie herumgestümpert. Als ich meinem Vater erzählte, dass ich mir ein

Weitere Kostenlose Bücher