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Ich Bin Gott

Titel: Ich Bin Gott Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Giorgio Faletti
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Draußen stand Russell Wade, die Hände in den Hosentaschen vergraben, und wartete in dem gleichen Wartebereich, indem er auch vorher schon gesessen hatte.
    » Da bin ich.«
    » Und jetzt, Detective?«
    » Wenn wir schon ein bisschen Zeit miteinander verbringen, kannst du mich auch Vivien nennen.«
    » Okay, Vivien. Was passiert jetzt?«
    » Gib mir dein Handy.«
    Russell zog sein Handy aus der Tasche. Vivien wunderte sich, dass er kein iPhone hatte. Alle VIPs in New York hatten so etwas. Vielleicht betrachtete sich Wade nicht als solcher, oder er hatte es an irgendeinem Spieltisch verspielt.
    Vivien nahm das Handy und rief ihr eigenes an. Als sie es in der Tiefe ihres Schreibtischs klingeln hörte, legte sie wieder auf und gab Wade seines zurück.
    » So, jetzt ist meine Nummer im Speicher. Draußen vor dem Gebäude steht ein silberfarbener Volvo. Das ist mein Auto. Warte dort bitte auf mich.«
    Im nächsten Satz schwang Sarkasmus mit.
    » Ich muss noch ein paar Dinge erledigen und weiß nicht, wie lange das dauern wird. Du musst dich leider in Geduld üben.«
    Russell sah sie an. Über seinen Augen lag dieser Schleier von Traurigkeit, der Vivien schon vor ein paar Tagen überrascht hatte.
    » Ich habe mehr als zehn Jahre gewartet. Da werde ich auch jetzt noch ein bisschen warten können.«
    Er drehte sich um und ging die Treppe hinunter. Vivien sah ihm verblüfft hinterher. Dann ging auch sie ein Stockwerk hinunter zu ihrem Schreibtisch. Zur Aufregung über diesen so wichtigen Fall, den der Zufall in ihre Hände gelegt hatte, gesellte sich die Angst, die von den Worten in dem Brief ausgelöst worden war. Wirre Worte, vom Winde herbeigeweht wie giftige Samen, die irgendwo auf fruchtbaren Boden gefallen waren. Vivien fragte sich, woran der Mann gelitten haben mochte, der diese Botschaft hinterlassen hatte. Und sie fragte sich, was dem Mann, der sie erhalten hatte, widerfahren sein mochte, wenn er das Erbe anzutreten und die wahnsinnige posthume Rache zu vollbringen bereit war.
    Die Grenzen des Wahnsinns haben sich erheblich ausgedehnt …
    Vielleicht sollte man in diesem Fall eher sagen, dass die Grenzen völlig verschwunden waren.
    Sie setzte sich an ihren Schreibtisch und loggte sich in die Datenbank der Polizei ein. Ins Suchfeld tippte sie die Worte The only flag , dann wartete sie auf das Ergebnis. Fast sofort erschien auf dem Bildschirm das Foto einer nackten Schulter mit genau derselben Tätowierung, wie die Leiche sie gehabt hatte. Es handelte sich um das Logo einer Motorradgang namens Skullbusters, die ihren Sitz auf Coney Island hatte. Dem Dossier beigefügt waren Fahndungsfotos von Mitgliedern der Gruppe, die mit dem Gesetz in Konflikt geraten waren. Neben den Namen waren die kleinen oder großen Schandtaten der jeweiligen Gentlemen aufgelistet. Die Fotos wirkten etwas älter, und Vivien fragte sich, ob einer von ihnen derjenige sein mochte, der über Jahre in den Fundamenten eines Hauses in der 23rd Street begraben gewesen war. Das wäre der Gipfel der Ironie, doch gewundert hätte es sie nicht. Wie schon Bellew gesagt hatte, lebte ihre Arbeit von Zufällen. Die Fotos von dem Jungen mit der Katze an zeitlich und räumlich so verschiedenen Orten waren der beste Beweis dafür.
    Als sie sich die Anschrift des Motorradclubs aufschrieb, kam vom 67 . Revier per Mail das Dossier über den Mord an Ziggy Stardust. Bellew hatte keine Zeit verloren. Vivien hatte jetzt das gesamte Material auf ihrem Computer: den Befund des Gerichtsmediziners, den Bericht des mit dem Fall beauftragten Detectives und die Fotos vom Tatort. Eine Aufnahme vergrößerte sie, bis sie das entscheidende Detail erkennen konnte. Ganz deutlich sah man den roten Fleck auf der Taste des Druckers, als hätte tatsächlich jemand mit einem blutverschmierten Finger draufgedrückt. Ein weiteres Element, das Russell Wades Geschichte bestätigte.
    Die anderen Fotos zeigten die blutüberströmte Leiche eines eher schmächtigen Mannes. Vivien betrachtete ihn lange und dachte ohne den geringsten Anflug von Mitleid, dass dieser Bastard bekommen hatte, was er verdiente. Für das, was er ihrer Nichte und möglicherweise vielen anderen jungen Mädchen angetan hatte. Nachdem sie auf diese Weise kurzen Prozess mit ihm gemacht hatte, stellte sie zum wiederholten Mal fest, dass persönliche Betroffenheit die Sicht auf die Dinge verändert.
    Vivien holte ihre Fernbedienung aus der Tasche und ließ die Zentralverriegelung aufschnappen. Russell Wade kam und öffnete

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