Ich bin kein Serienkiller
tun.
Keine Fragen mehr, kein Warten mehr. Ich hatte meine Entscheidung getroffen. Es war Zeit, die Mauer einzureißen und alle Regeln über den Haufen zu werfen, die ich aufgestellt hatte.
Es war Zeit, das Monster herauszulassen.
Ich stieg wieder aufs Rad und fuhr nach Hause. Ein schwarzes Loch in dunkler Nacht. Stein um Stein zerbrach die Mauer, und das Monster streckte die Beine, spannte die Krallen und leckte sich die Lippen.
Morgen würden wir auf die Jagd gehen.
ZEHN
Als wir am nächsten Morgen aufwachten, war frischer Schnee gefallen. Kaum mehr als drei Zentimeter, aber das reichte mir als Vorwand. Es war ein stiller Sonntagmorgen, doch ich marschierte schon um acht Uhr mit der Schaufel in der Hand hinüber. Crowleys Auto stand, mit Schnee bedeckt, in der Einfahrt. Überrascht blieb ich stehen, als ich erkannte, dass das Einschussloch im Heck einer verknitterten großen Beule gewichen war. Das Rücklicht war kaputt, und der Lack blätterte ab. Es sah aus, als hätte er einen Unfall gehabt. Ich betrachtete den Schaden einen Augenblick lang und fragte mich, was passiert war, dann stieg ich auf die Veranda und klingelte.
Mr Crowley öffnete selbst – fröhlich, menschlich und so unauffällig, wie es ein Mann nur sein konnte. Im letzten Monat hatte ich gesehen, wie er vier Menschen getötet hatte, aber als er so vor mir stand, zweifelte ich eine Sekunde lang. Jemand wie er konnte doch nicht einmal einer Fliege etwas zuleide tun.
»Guten Morgen, John, was willst du … oh, da schau mal einer an, es hat geschneit! So was entgeht dir nicht, wie?«
»Nein, auf keinen Fall.«
»Na ja, hier draußen liegt nicht viel, und heute müssen wir sowieso nicht weg. Lass es einfach liegen, dann hast du dir die Mühe nicht umsonst gemacht, wenn noch mehr Schnee fällt. Es nützt doch nichts, wenn man zweimal schippen muss.«
»Das ist wirklich kein Problem, Mister Crowley«, erwiderte ich.
»Wer ist denn da an der Tür?«, rief Mrs Crowley heraus, dann tauchte sie im Flur auf. »Oh, guten Morgen, John. Bill, nun geh doch mal von der Tür weg, du holst dir noch den Tod.«
Mr Crowley lachte. »Mir geht es gut, Kay. Ganz bestimmt. Ich hab nicht mal einen Schnupfen.«
»Er war die ganze Nacht auf.« Mrs Crowley legte sich einen Mantel über die Schultern. »Der Herr allein weiß, was er getrieben hat. Und dann erzählt er mir noch, er habe einen Unfall gehabt. Das sollten wir uns gleich mal ansehen, es ist jetzt ja hell genug.«
Ich warf einen Blick zu Mr Crowley hinüber, der zwinkerte und kicherte. »Ich bin gestern Abend auf dem Eis ein wenig ins Rutschen geraten, und sie glaubt, es sei ein Anschlag der Kommunisten gewesen.«
»Mach dich nicht über mich lustig, Bill, das ist … oh, du meine Güte, das ist ja schlimmer, als ich dachte!«
»Ich bin gestern Abend herumgefahren.« Mr Crowley kam zu uns heraus. »Am Krankenhaus geriet ich auf dem Eis ins Schleudern, kam von der Straße ab und prallte gegen eine Betonmauer. Das war eigentlich die beste Stelle, an der das geschehen konnte, denn binnen Sekunden waren Schwestern und Ärzte da, um zu sehen, ob ich verletzt sei. Ständig versichere ich Kay, dass es mir gut geht, aber sie macht sich immer noch Sorgen.« Er nahm sie in die Arme, und sie wandte sich um und umarmte ihn.
»Ich bin nur froh, dass dir nichts passiert ist«, sagte sie.
Wenn er die Leiche spurlos beseitigt hatte, war die Kugel im Auto der letzte Beweis gewesen, dass er etwas mit den Morden zu tun hatte. Dieses Indiz hatte er nun auf bewundernswerte Weise beseitigt. Eins musste ich ihm lassen, er verstand sich darauf, seine Spuren zu verwischen. Er hatte die Kugel herausgezogen und die Ecke des Hecks fest genug gegen eine Mauer gesetzt, um den vorherigen Schaden zu überdecken. Es war besonders klug gewesen, dies vor dem Krankenhaus zu tun. Jetzt gab es eine ganze Reihe von Zeugen, die genau zu wissen glaubten, was mit seinem Auto passiert war, und wenn es hart auf hart kam, konnten sie sogar bestätigen, dass er sich auf der anderen Seite der Stadt befunden hatte, als die Morde geschehen waren. Er hatte die Beweise vernichtet und sich zugleich ein Alibi verschafft.
Ich betrachtete ihn mit neuem Respekt. Er war klug – aber warum zeigte sich das erst jetzt und nicht schon früher? Wenn er so klug war, warum hatte er dann die ersten drei Leichen offen liegen gelassen, wo sie bald gefunden worden waren? Mir fiel ein, dass ihm dies möglicherweise neu war und dass er erst noch lernen musste, alles
Weitere Kostenlose Bücher