Ich bin kein Serienkiller
Tür hinter mir zu. Dann trampelte ich die Treppe hinunter, knallte auch die Außentür zu, stieg auf mein Fahrrad und fuhr einfach los, ohne mich umzusehen, ob mir jemand gefolgt war oder mich durchs Fenster beobachtete. Ich warf keinen Blick zu Mr Crowleys Haus hinüber, und so hielt ich es auch bei Brookes Haus. Ich trampelte so heftig drauflos, dass die Gehwegmarkierungen nur so an mir vorbeiflogen, und hoffte bei jeder Straße, die ich überquerte, ein Laster werde mich rammen und auf dem Asphalt verschmieren.
Zwanzig Minuten später war ich in der Innenstadt. Ich war auf ziemlich geradem Wege zu Dr. Neblins Praxis gefahren. Sie war natürlich geschlossen, verriegelt, leer und dunkel. Ich hielt an und blieb etwa zehn Minuten auf meinem Fahrrad sitzen, während der Wind Schneewehen hochriss und umherwirbelte, um sie schließlich gegen die Ziegelmauer zu werfen. Ich hatte nichts zu tun, kein Ziel und niemanden, mit dem ich reden konnte. Ich hatte nicht den geringsten Grund, überhaupt zu existieren.
Alles, was ich hatte, war Mr Crowley.
Am Ende der Straße gab es einen Münzfernsprecher. Dieses Telefon hatte ich auch benutzt, um einen Monat zuvor die 911 anzurufen. Ich wusste selbst nicht warum, aber ich lehnte mein Fahrrad dagegen, warf einen Vierteldollar ein und wählte Mr Crowleys Handy. Während es klingelte, zog ich mein T-Shirt hoch und wickelte es um das Telefon, um meine Stimme zu verzerren. Ich betete, es möge funktionieren. Nach drei Ruftönen ging er dran.
»Hallo?«
»Hallo«, sagte ich. Ich wusste nicht, was ich sonst sagen sollte.
»Wer ist da?«
»Ich bin derjenige, der Ihnen Botschaften schickt.«
Er legte auf. Ich fluchte, holte einen weiteren Vierteldollar heraus und wählte noch einmal.
»Hallo?«
»Legen Sie nicht auf.«
Klick.
Jetzt hatte ich nur noch zwei Vierteldollarstücke. Ich wählte ein weiteres Mal.
»Lassen Sie mich in Ruhe«, grollte er. »Wenn Sie so viel über mich wissen, dann wissen Sie auch, was ich tun werde, um Sie zu finden.« Klick.
Ich musste mir etwas überlegen, um ihn in der Leitung zu halten. Ich musste mit jemandem reden, ob er ein Dämon war oder nicht. Also warf ich meinen letzten Vierteldollar in den Apparat und wählte noch einmal.
»Ich sagte …«
»Tut es weh?«, unterbrach ich ihn. Er atmete schwer, offenbar erregt und zornig, aber er legte nicht auf. »Sie haben sich den Arm abgerissen und den Bauch aufgeschnitten. Ich wollte nur wissen, ob es wehtut.«
Er wartete und schwieg.
»Was Sie tun, passt nicht zusammen«, fuhr ich fort. »Manche Leichen verstecken Sie, andere nicht. Sie lächeln einen Mann an und reißen ihm im nächsten Augenblick das Herz heraus. Ich weiß nicht einmal, was Sie …«
»Es tut höllisch weh.« Er schwieg einen Moment lang. »Es tut jedes Mal weh.«
Er antwortete mir. In seiner Stimme lag etwas … ein Gefühl, das ich nicht einordnen konnte. Nicht direkt fröhlich, ein bisschen müde.
Erleichterung?
Alle Fragen, die sich im Lauf der Monate aufgestaut hatten, strömten aus mir heraus. »Müssen Sie warten, bis etwas versagt, ehe Sie es ersetzen?«, fragte ich. »Müssen Sie unbedingt anderen Menschen Körperteile stehlen? Aber was ist mit dem Kerl in Arizona – Emmett Openshaw. Was haben Sie ihm gestohlen?«
Schweigen.
»Ich habe sein Leben gestohlen.«
»Sie haben ihn getötet«, widersprach ich.
»Ich habe ihn nicht nur getötet«, erklärte Crowley. »Ich habe sein Leben gestohlen. Er hätte sicher ein langes Leben gehabt. Mindestens so lange wie dieses. Er hätte geheiratet und Kinder bekommen.«
Das fand ich nicht richtig.
»Wie alt war er?«, fragte ich.
»Etwa dreißig, schätze ich. Heute sage ich den Leuten, ich sei zweiundsiebzig.«
Ich hatte angenommen, Openshaw sei wie die anderen Opfer älter gewesen. »Sie haben seine Leiche so gut versteckt, dass sie nie gefunden wurde. Warum haben Sie nicht auch Jeb Jolleys Leiche oder die beiden anderen danach versteckt?«
Schweigen. Eine Tür fiel zu.
»Sie wissen es immer noch nicht, oder?«
»Sie verhalten sich wie ein unerfahrener Mörder«, überlegte ich. »Sie sind nach jedem Mord besser geworden und verstecken jetzt die Leichen. Das ist verständlich, wenn Sie es noch nie getan haben. Aber Sie haben es getan. Verstellen Sie sich? Aber warum tun Sie so, als wären Sie unerfahren, obwohl Sie Ihre Spuren vollkommen verwischen könnten?«
»Moment«, sagte er. Dann hustete er laut und hielt die Hand vor das Telefon. Ich hörte immer noch sein
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