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Ich bin kein Serienkiller

Ich bin kein Serienkiller

Titel: Ich bin kein Serienkiller Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dan Wells
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Er war von Körper zu Körper und von Leben zu Leben gesprungen. Er war in eine neue Stadt gezogen und hatte von vorn begonnen, und wenn seine Dämonenkräfte den jeweiligen Körper nicht mehr hatten erhalten können, hatte er ihn einfach abgelegt und war weitergezogen. So hatte er es in Arizona bei Emmett Openshaw getan. Dann war er nach Clayton County geflohen, um sich zu verstecken und noch einmal von vorn zu beginnen. Aber dann war er Kay begegnet, und jetzt sah alles anders aus. Wenn er seinen Körper aufgab, musste er sie verlassen, und das konnte er nicht tun. Deshalb flickte er sich zusammen und ersetzte defekte Körperteile, wenn sie versagten, statt ganz von vorn anzufangen.
    »John?«
    »Ja?«
    »Möchtest du mit mir über etwas sprechen?«, fragte Dr. Neblin.
    »Nein, nein. Ich … ich muss gehen. Ich muss nachdenken.«
    »Ruf mich an, John«, sagte Neblin. Er stand auf und zückte eine Visitenkarte. »Ruf mich an, wenn du reden willst. Egal worüber.« Auf die Rückseite schrieb er eine zweite Nummer, vermutlich seine private, und reichte mir die Karte. Da wurde mir bewusst, dass er sich Sorgen machte. Die Falten gruben sich wie eingeätzt in sein Gesicht, und beunruhigt beobachtete er mich.
    »Danke«, murmelte ich und verließ die Praxis. Ich holte meine Jacke aus dem Wartezimmer und ging nach unten, stieg aufs Fahrrad und fuhr nach Hause. Nicht ziellos und nicht verzweifelt und auch nicht nervös. Zum ersten Mal seit Wochen war ich ruhig. Ich hatte seine Schwäche gefunden.
    Liebe.
     
    Am Abend schloss ich mich in meinem Zimmer ein, ging meine Notizen durch und beobachtete Mr Crowleys Haus durch mein Fenster. Die Liebe war die Schwachstelle in seiner Rüstung, so viel war nun klar, doch ich hatte noch keinen Plan, um diese Schwäche zu nutzen. Ich hatte ein Dutzend verschiedener Ideen entwickelt und wieder verworfen. Ich musste einen Weg finden, ihn von weiteren Morden abzuhalten, aber er war schon sehr krank. Er würde bald wieder zuschlagen, und ich hatte noch keine Lösung parat.
    Und richtig, kurz nach Mitternacht tappte Mr Crowley zu seinem Auto. Er sah schlimmer aus, als ich ihn je erlebt hatte. Anscheinend wartete er immer so lange wie möglich, ehe er sich in Ordnung brachte. Ich fragte mich, ob er mehr als ein Organ ersetzen musste, und dann überlegte ich, ob das überhaupt möglich war. Wenn er einem Opfer zu viel wegnahm – verwandelte er sich dann in diesen Menschen, ob er wollte oder nicht? Das hätte erklärt, warum er jeweils immer nur ein Organ entnahm.
    Leise öffnete ich meine Zimmertür. Mom war noch auf und sah Letterman. Ich drückte die Tür wieder zu, sperrte ab und ging zum Fenster. Es war ein großer Sprung bis zum Boden, aber Crowley durfte mir nicht entkommen. Ich hüllte mich in meinen Mantel, zog meine Neuerwerbung an – eine Skimaske –, und dann sprang ich.
    Mr Crowley war schon zu weit weg, seine Rücklichter waren nicht mehr zu erkennen. Deshalb raste ich, so schnell ich konnte, zum Flying J und hoffte, er werde dort wie schon einmal einen Streuner suchen. Mit dem Fahrrad war das Gelände allerdings schwer zu erreichen, deshalb fuhr ich hinter den Hügel, auf dem es sich befand, und lief zu Fuß hinauf, wobei ich dem Highway und den Lichtern auswich.
    Crowley verließ das Gelände gerade wieder, und er war allein. Offenbar hatte er noch niemanden gefunden. Ich eilte den verschneiten Hügel wieder hinunter und fuhr die paar Blocks bis zur Ausfahrt des Highways entlang. Von dort aus konnte ich beobachten, wie er in die Stadt zurückfuhr und sich in Richtung des Sägewerks hielt. Vielleicht würde er versuchen, dort einen Nachtwächter oder sonst jemanden zu erwischen. Einen unschuldigen Niemand, der sich zur falschen Zeit am falschen Ort befand. Sein Auto schleuderte gefährlich. Wahrscheinlich konnte er nicht mehr auf ein Opfer warten, das niemand vermissen würde. Er musste den Erstbesten töten, den er fand. Um ein Uhr morgens war allerdings kaum noch jemand unterwegs. Ich folgte ihm im Abstand von einigen Blocks, schwarz wie die Nacht.
    Ein paar Straßen vor dem Sägewerk bog er ab, und als ich die Ecke erreichte, entdeckte ich sein Auto hinter einem Lastwagen, der gerade angehalten hatte. Der Fahrer stellte den Dieselmotor ab, öffnete die Tür und sprang heraus. Sein Atem hing wie ein Gespenst in der eiskalten Luft. Er lief vorn um seinen Laster herum, doch Crowley stieg aus und rief ihn an. Der Mann hielt inne und rief etwas zurück. Ich konnte allerdings

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