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Ich bin kein Serienkiller

Ich bin kein Serienkiller

Titel: Ich bin kein Serienkiller Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dan Wells
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nicht verstehen, worüber die beiden sich unterhielten. Der Mann deutete auf ein Zweifamilienhaus hinter ihm.
    Mein Herz setzte aus. Ich warf einen Blick zum Straßenschild über mir: Redwood Street.
    Es war Max’ Dad.
    »Nein!«, schrie ich, doch es war schon zu spät. Max’ Dad schaute auf, er sah mich unverwandt an, und Crowley stakste mit ausgefahrenen, schimmernden Krallen auf ihn zu, riss ihn mit seiner Pranke zu Boden und stürzte sich mit animalischem Ingrimm auf ihn. Blut spritzte, die Klauen zuckten, und schließlich stand Crowley einen Moment lang schwankend vor seinem Opfer, ehe er daneben zusammenbrach. Reglos lagen die beiden im gefrorenen Matsch. Die Straße war totenstill.
    Zögernd tat ich einen Schritt vorwärts. Crowley hatte sich verausgabt. Vielleicht hatte er es so weit getrieben, dass auch seine Regenerationsfähigkeit ihm nicht mehr half. Er hatte noch nicht einmal ein Organ herausgerissen. Vielleicht lebte Max’ Dad sogar noch, und ich konnte ihm helfen. Die Häuser waren dunkel und still. Niemand hatte meinen Schrei gehört oder den Angriff bemerkt. Ich hastete zu den beiden hinüber und rutschte dabei fast auf dem Eis aus. Nichts rührte sich.
    Als ich nahe genug war, erkannte ich, dass Max’ Dad nicht mehr zu helfen war. Sein Körper war in zwei zerfetzte blutige Teile zerlegt. Eine Eingeweideschlinge lag dampfend auf dem gefrorenen Asphalt. Das Monster regte sich stärker denn je in mir und drängte mich, niederzuknien und die schimmernden Organe zu betasten. Ich schloss die Augen und rang um meine Selbstbeherrschung. Als ich sie wieder öffnete, sah ich Crowley mit dem Kopf nach unten und immer noch halb in Dämonengestalt vor mir liegen. Auf seinen verlängerten Armen spannten sich die nicht menschlichen Muskeln. Die langen schwarzen Finger liefen in schrecklichen Krallen aus, die weiß waren wie Milch. Wie die freigelegten Eingeweide. Crowleys Körper dampfte in der Kälte.
    Ich wollte ihn treten. Ich wollte ihn schlagen und verprügeln und ihn auf der Straße niederwerfen, bis nichts mehr von ihm übrig war, keine Dämonenkrallen, kein menschlicher Körper, keine Kleidung, nicht einmal eine Erinnerung. Ich war außer mir, als ich an all das Böse dachte, das er getan hatte, aber das war noch nicht alles. Ich war enttäuscht. Er hatte sich selbst getötet und mir damit meine Gelegenheit genommen.
    Rings um ihn dampfte es, und auf einmal bäumte er sich auf. Ich sprang zurück, rutschte auf dem Eis aus und landete auf dem Hintern. Jäh hob der Dämon den Kopf und schnappte nach Luft. Sein Mund starrte vor scharfen Zähnen. Voller Entsetzen rappelte ich mich auf und wich noch weiter zurück. Der Dämon stemmte sich mühsam auf die Arme hoch und wandte sich zu mir um. Über den riesigen kristallenen Augen kniff er die Augenlider zusammen, als könne er mich nicht richtig sehen. Ich betastete mein Gesicht, um mich zu vergewissern, dass ich noch die Skimaske trug. In dieser Dunkelheit konnte er mich wahrscheinlich nicht erkennen. Die Reißzähne des Dämons schimmerten leicht im Zwielicht, bläulich und phosphoreszierend. Er kroch eine kleine Strecke in meine Richtung und brach auf dem Eis zusammen. Dann hustete er und wandte den Kopf verzweifelt hin und her, als suche er etwas. Als sein Blick auf die zerfetzten Überreste von Max’ Dad fiel, vergaß er mich und kroch unter Schmerzen zu dem Leichnam hinüber.
    Ich umrundete ihn mit raschen Schritten, weil ich den Körper wegziehen wollte, bis der Dämon ihn nicht mehr erreichen konnte, doch er war zu nahe. Ich hatte die Gelegenheit verpasst. Der Dämon würde sich erholen, und dann würde er auf mich losgehen. Ich konnte nur hoffen, dass er mich nicht erkannt hatte. Wenn ich rasch genug verschwände und einen großen Vorsprung hätte, erführe er nie, wer da vor ihm gestanden hatte.
    Tagsüber war mein Haus mit dem Fahrrad mehr als eine Viertelstunde entfernt. Ich schaffte es in zehn Minuten, indem ich mitten auf verlassenen Straßen fuhr und rücksichtslos über Kreuzungen raste. Dabei achtete ich einzig und allein darauf, nicht durch den Schnee zu fahren, um keine Spuren zu hinterlassen.
    Mein Fahrrad lehnte ich vorsichtig an die Hauswand und versuchte, es möglichst so zu hinterlassen, wie es vorher gestanden hatte. Das Haus musste so aussehen wie bei Mr Crowleys Aufbruch, damit ich nicht in Verdacht geriet. Dann schlich ich die Treppe hinauf und lauschte an der Tür. Der Fernseher war abgeschaltet, und es kam mir vor, als sei auch

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