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Ich bin kein Serienkiller

Ich bin kein Serienkiller

Titel: Ich bin kein Serienkiller Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dan Wells
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großer Haufen. Irgendjemand hatte für Greg Olson einen zweiten Stapel begonnen, denn er galt weiterhin als vermisst und hatte ebenfalls Familie, aber der zweite Stapel war bedeutend kleiner, weil immer noch viele Leute glaubten, er habe irgendeine Schuld auf sich geladen. Mrs Olson und ihr Sohn waren auch da und zeigten ihre Solidarität mit der Gemeinde. In der Nähe wartete vorsichtshalber ein Streifenwagen, falls irgendjemand einen Streit anfing.
    Es war kalt, und ich wollte unbedingt zurück, um Crowleys Haus zu beobachten, vor allem aber langweilte ich mich. Wir taten nichts anderes, als herumzustehen und Kerzen zu halten, was ich sinnlos fand. Dabei kam doch nichts heraus – wir suchten nicht nach dem Mörder, wir beschützten nicht die Unschuldigen, wir schenkten Max keinen neuen Dad. Wir standen oder liefen nur herum und sahen zu, wie die nutzlosen kleinen Flammen Tropfen für Tropfen unsere Kerzen schmolzen.
    Auf dem Nachbarschaftsfest hatte es wenigstens ein Feuer gegeben. Ich hätte eines anzünden können, dann wäre es warm und hell geworden, und … nun ja, ein großes Feuer eben. Das war schon für sich genommen etwas Schönes. Ich sah mich nach etwas Brennbarem um, doch Mom zerrte mich plötzlich zur anderen Seite der Menge.
    »Hallo, Peg«, sagte sie und nahm Mrs Watson in die Arme. Brooke und ihre Familie waren gerade eingetroffen, alle weinten. Brookes Gesicht war feucht von den Tränen, die sich rund und dick von der Haut abhoben wie Brandblasen. Ich musste mich beherrschen, um sie ihr nicht einfach abzuwischen.
    »Hallo, April«, sagte Mrs Watson. »Es ist so schrecklich. Es ist … Brooke, Liebes, kannst du die Blumen rüberbringen? Danke.«
    »John kann dir die richtige Stelle zeigen«, schlug Mom auf einmal vor und drehte sich zu mir um.
    Ich zuckte mit den Achseln. »Dann komm.« Brooke und ich drängten uns durch die Menge. »Ein Glück, dass ich bei dir bin«, sagte ich halb scherzend und halb genervt. »Es ist schwierig, den großen Haufen Blumen mitten auf der Straße zu finden.«
    »Kanntest du ihn?«, fragte Brooke.
    »Max?«
    »Seinen Dad.« Sie wischte sich die Augen mit einem Handschuh trocken. Die Träne versickerte sofort, ein schwarzer feuchter Fleck auf der dunkelblauen Wolle.
    »Nicht gut.« In Wirklichkeit hatte ich ihn sogar recht gut gekannt, einen lauten, überheblichen Mann, der überall mitreden wollte, obwohl er meist keinen Schimmer hatte. Ich hatte ihn gehasst, Max hatte ihn vergöttert. Ohne ihn war Max besser dran.
    Wir erreichten den ersten Stapel, und Brooke legte die Blumen nieder.
    »Warum gibt es zwei Stapel?«, fragte sie.
    »Der da ist für Greg Olson, den vermissten Mann.«
    Sie kniete nieder und zupfte eine Blume aus ihrem Strauß, um sie auf den kleineren Haufen zu legen.
    »Brooke«, begann ich und hielt gleich wieder inne.
    »Was ist?« Ihr Gesicht lief dunkel an. »Du glaubst doch nicht, dass er der Mörder ist, oder?«
    »Nein, ich wollte nur … Glaubst du, das hilft? Wir werfen Blumen auf eine Straße, und morgen bringt er wieder jemanden um. Wir helfen damit niemandem.«
    »Doch, irgendwie schon«, erwiderte Brooke. Sie schniefte und wischte sich die Nase. Ihre Augen waren vom Weinen gerötet. »Ich weiß nicht, was geschieht, wenn wir sterben, und wohin wir dann kommen, aber es muss da doch etwas geben, oder? Einen Himmel oder eine andere Welt. Vielleicht beobachten sie uns von dort. Ich weiß nicht … vielleicht können sie uns sehen.« Sie legte die Blume auf Greg Olsons Stapel. »Vielleicht muntert es sie auf, wenn sie erkennen, dass wir sie nicht vergessen haben.« Sie schlang die Arme um den Oberkörper, schauderte in der Kälte und starrte in die Dunkelheit.
    »Max kann sich verdammt gut an seinen Dad erinnern«, erwiderte ich, »aber das bringt ihn nicht zurück. Und was ist mit den anderen? Der Mörder hat Leute getötet, von denen wir nicht einmal wissen. Es kann gar nicht anders sein. Wenn er Greg Olsens Leiche versteckt hat, dann hat er wahrscheinlich noch weitere Leichen versteckt. Wenn das Erinnern so wichtig ist, was geschieht dann mit den Getöteten? Die vermisst nicht einmal jemand.«
    Brooke riss die Augen weit auf. »Das ist schrecklich.« Ihr Gesicht war von der Kälte knallrot, als hätte ihr jemand zwei Ohrfeigen versetzt. Es machte mich ganz verrückt, sie anzusehen, und mein Atem ging schneller.
    »Ich wollte dich nicht traurig machen.« Dann starrte ich meine Kerze an, das Herz der Flamme. Vergiss mich nicht …
    Brooke

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