Ich bin Malala: Das Mädchen, das die Taliban erschießen ...
zu operieren an. Meine Mutter und mein Vater saßen vor dem OP -Raum. »O Gott, pass auf Malala auf«, betete mein Vater. Er fing an, mit Allah zu verhandeln. »Und wenn ich künftig in der Wüste darben muss, sie muss wieder die Augen aufmachen. Ich kann nicht ohne sie sein. Allah, ich gebe den Rest meines Lebens für sie, ich bin lange genug auf Erden. Und wenn sie auch versehrt bleibt, aber lass sie bitte am Leben.« Irgendwann fiel meine Mutter ihm ins Wort. »Gott ist kein Geizkragen«, sagte sie. »Er wird mir meine Tochter so zurückgeben, wie sie war.« Sie fing an, mit dem heiligen Koran in der Hand zu beten, stand einfach nur da, das Gesicht zur Wand, rezitierte die Verse wieder und wieder, stundenlang. »So wie sie habe ich noch nie jemanden beten gesehen«, sagte Madam Maryam. »Ich war mir sicher, dass Gott solche Gebete erhören würde.« Mein Vater versuchte, nicht an die Vergangenheit zu denken und daran, ob es falsch gewesen war, mich dazu zu ermutigen, laut meine Meinung zu sagen und mich öffentlich zu engagieren.
Im OP sägte Oberst Junaid ein etwa acht bis zehn Quadratzentimeter großes Rechteck aus der linken oberen Schädeldecke, damit mein Gehirn genug Platz bekam. Dann machte er einen Schnitt in das Unterhautgewebe links am Bauch und legte das Stück Schädelknochen hinein, um es dort zu konservieren. Außerdem nahm er einen Luftröhrenschnitt vor, weil er fürchtete, die Schwellung würde das Atemzentrum blockieren. Er entfernte die Blutgerinnsel aus meinem Gehirn und die Kugel in der Nähe des Schulterblatts. Nach der ganzen Prozedur wurde ich an ein Beatmungsgerät angeschlossen. Die Operation dauerte fast fünf Stunden. Trotz der Gebete meiner Mutter ging mein Vater davon aus, dass 90 Prozent der Leute, die draußen vor dem Krankenhaus warteten, sicher dachten, bald werde man Malalas Leichnam in Empfang nehmen. Viele seiner Freunde und Mitstreiter waren sehr besorgt, aber ihm war bewusst, dass es auch andere gab, die der Ansicht waren, nun hätten wir bekommen, was wir verdienten.
Mein Vater war vor die Tür gegangen, um sich eine kurze Pause von der Anspannung vor dem Operationssaal zu nehmen, als eine Krankenschwester auf ihn zutrat. »Sind Sie Malalas Vater?«, fragte sie. Wieder sank ihm aller Mut. Die Schwester führte ihn in einen Raum. Er nahm an, nun würden sie ihm gleich mitteilen, es täte ihnen leid, aber man hätte seine Tochter verloren. Stattdessen sagte jemand zu ihm: »Wir benötigen Blutkonserven von der Blutbank.« Mein Vater war gleichzeitig erleichtert und ratlos. »Bin ich denn der einzige Mensch, der das holen kann?«, fragte er. Stattdessen sprang einer seiner Freunde für ihn ein.
Als die Chirurgen aus dem OP kamen, war es gegen halb sechs. Sie sagten meinem Vater, sie hätten ein Stück Schädelknochen entfernt und es in meinen Bauch gelegt. In unserer Kultur ist es nicht üblich, dass Ärzte Patienten oder Angehörigen etwas erklären, und um sich mit Oberst Junaid weiterhin gütlich zu stellen, fragte mein Vater ihn demütig: »Bitte verzeihen Sie, aber ich habe eine dumme Frage. Wird meine Tochter überleben?«
»In der Medizin ergibt zwei plus zwei nicht immer vier«, erwiderte Oberst Junaid. »Wir haben unsere Arbeit getan, wir haben ein Stück der Schädeldecke entfernt. Jetzt müssen wir abwarten.«
»Ich habe noch eine dumme Frage«, sagte mein Vater. »Was ist mit dem Knochen? Was machen Sie jetzt damit?«
»In drei Monaten setzen wir ihn wieder ein«, antwortete Dr. Mumtaz. »Das ist ganz leicht. So wie das hier …« Er klatschte in die Hände.
Am nächsten Morgen gab es gute Neuigkeiten. Ich hatte die Arme bewegt. Aus der Provinz KPK waren drei Top-Chirurgen angereist, um mich zu untersuchen. Sie sagten, Oberst Junaid hätte einen exzellenten Job gemacht und die Operation sei hervorragend verlaufen, doch nun solle man mich in ein künstliches Koma versetzen, zu viel Druck würde auf dem Gehirn lasten, würde ich wieder zu Bewusstsein gelangen.
(Copyright © University Hospitals Birmingham NHS Foundation Trust; mit freundlicher Genehmigung des Queen Elizabeth Hospital in Birmingham)
Dr. Fiona Reynolds und Dr. Javid Kayani an meinem Bett.
Während ich zwischen Leben und Tod schwebte, übernahmen die Taliban in einer Verlautbarung die Verantwortung für den Anschlag auf mich, stritten jedoch ab, dass meine Bildungskampagne der Grund dafür gewesen sei. »Wir haben dieses Attentat verübt, und jeder, der sich gegen uns ausspricht, wird auf
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