Ich bin Malala: Das Mädchen, das die Taliban erschießen ...
Queen Elizabeth Hospital in Birmingham ist bekannt dafür, dass dort britische Kriegsverletzte aus Afghanistan und dem Irak behandelt werden. Außerdem hatte es den Vorteil, außerhalb der Stadt zu liegen, so dass eine gewisse Abgeschiedenheit gewährleistet war. Also rief er seinen Vorgesetzten Kevin Bolger an, den Betriebsdirektor des Krankenhauses, der sofort zustimmte. Hinterher allerdings meinte er, niemand habe damals damit gerechnet, dass meine Behandlung die ganze Klinik beanspruchen würde.
Die Aufnahme im Queen Elizabeth Hospital war jedoch mit Hindernissen verbunden, da ich Ausländerin und zudem minderjährig war. Nur zu bald fand sich Bolger in den Schlingen der britischen und pakistanischen Bürokratie wieder. Währenddessen verstrich kostbare Zeit. Mein Zustand hatte sich zwar stabilisiert, doch ich musste innerhalb der nächsten 48, maximal 72 Stunden verlegt werden, damit weitere positive Ergebnisse erzielt werden konnten.
Schließlich bekamen wir die Erlaubnis. Nun stellte sich den Ärzten die Frage, wie ich dorthin gelangen sollte und wer den Krankentransport bezahlen würde. Dr. Javid Kayani schlug vor, doch ein Angebot der britischen Royal Air Force anzunehmen, die Erfahrung mit dem Ausfliegen verwundeter Soldaten aus Afghanistan habe. Doch General Kayani war damit nicht einverstanden. Er bestellte den Mediziner aus Birmingham zu einer Besprechung spätnachts zu sich nach Hause – der General pflegte immer lange aufzubleiben – und setzte dem Arzt, kettenrauchend wie immer, auseinander, er wünsche keine ausländische Militärbeteiligung. Es waren bereits diverse Verschwörungstheorien bezüglich des Attentats auf mich im Umlauf. Einige Leute behaupteten, ich sei eine CIA -Agentin und dergleichen Dinge mehr, und der General wollte diesen Gerüchten nicht zusätzlich Nahrung geben.
Das brachte nun Dr. Javid Kayani in eine schwierige Lage. Die britische Regierung hatte zwar ihre Unterstützung angeboten, doch war dazu ein offizielles Hilfsersuchen seitens der pakistanischen Regierung nötig. Diese aber wollte ein solches Gesuch nicht stellen, aus Angst, ihr Gesicht zu verlieren.
Glücklicherweise griff an diesem Punkt die Herrscherfamilie der Vereinigten Arabischen Emirate ein. Sie bot uns ihren Privatjet an, der mit einer eigenen Krankenstation ausgerüstet war. In den frühen Morgenstunden des 15 . Oktober, es war ein Montag, sollte ich zum ersten Mal in meinem Leben die Grenzen Pakistans überschreiten.
***
Meine Eltern hatten nicht die geringste Ahnung von all diesen Verhandlungen. Natürlich hatten sie mitbekommen, dass Diskussionen im Gange waren, mich ins Ausland zu verlegen. Und selbstverständlich nahmen sie an, dass sie mich begleiten würden, wohin man mich auch verlegen mochte. Meine Mutter und meine Brüder hatten keine Pässe oder andere Ausweise.
Am Sonntagnachmittag teilte der Oberst meinem Vater mit, man würde mich am nächsten Tag nach Großbritannien bringen. Es sei jedoch nur ihm gestattet, mit mir zu fliegen, meine Brüder und meine Mutter dürften nicht mitkommen. Es hieß, es gebe ein Problem mit der Beschaffung ihrer Pässe. Man befahl ihm außerdem, aus Sicherheitsgründen der restlichen Familie gegenüber absolutes Stillschweigen über seine Reise zu bewahren.
Da mein Vater vor meiner Mutter keine Geheimnisse hat, war klar, dass er so etwas unter keinen Umständen für sich behalten würde, und so erzählte er ihr schweren Herzens, was uns bevorstand. Meine Mutter saß gerade mit Faiz Mohammed zusammen, der wütend schnaubte, als er all das hörte: »Wenn meine Schwester mit den zwei Jungen allein in Mingora ist, wer weiß, was ihnen da alles passieren kann!«
Mein Vater rief den Oberst an: »Ich habe meiner Familie Bescheid gesagt, und keiner ist über die getroffenen Entscheidungen glücklich. Ich kann meine Familie nicht allein in Pakistan zurücklassen.« Das war nun ein Problem, denn ich war minderjährig und durfte nicht allein reisen. Viele Leute versuchten, meinen Vater zu überreden, auch Oberst Junaid, Dr. Kayani und Dr. Reynolds. Mein Vater aber mochte es gar nicht, wenn er gedrängt wurde, und blieb hart, obwohl ihm bewusst war, dass er damit ein ordentliches Chaos auslöste.
Dr. Kayani erklärte er: »Meine Tochter ist bei Ihnen in guten Händen und reist in ein sicheres Land. Ich kann meine Frau und meine Söhne nicht allein in Pakistan lassen. Sie sind hier in höchstem Maße gefährdet. Was meiner Tochter geschehen ist, ist geschehen. Sie
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