Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Ich bin Malala: Das Mädchen, das die Taliban erschießen ...

Ich bin Malala: Das Mädchen, das die Taliban erschießen ...

Titel: Ich bin Malala: Das Mädchen, das die Taliban erschießen ... Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Malala Yousafzai
Vom Netzwerk:
ist jetzt in Gottes Hand. Ich habe aber drei Kinder, und meine Söhne sind genauso wichtig für mich wie meine Tochter.«
    Der Arzt bat meinen Vater um ein Gespräch unter vier Augen. »Sind Sie sicher, dass das der einzige Grund ist, warum Sie nicht mitfliegen wollen?« Er wollte sich vergewissern, dass niemand Druck auf meinen Vater ausübte. Worauf mein Vater entgegnete: »Meine Frau hat zu mir gesagt: ›Du kannst uns doch nicht allein lassen.‹« Der Doktor legte meinem Vater die Hand auf die Schulter und versicherte ihm, dass man sich liebevoll um mich kümmern würde, und er bat ihn um sein Vertrauen. »Ist es nicht ein Wunder, dass Sie alle hier waren, als auf Malala geschossen wurde?«, meinte mein Vater. »Nun, ich glaube, dass Gott uns zuerst die Lösung und dann das Problem schickt«, gab Dr. Kayani ihm zur Antwort.
    Also unterzeichnete mein Vater eine Vollmacht, die Dr. Fiona Reynolds erlaubte, in Vertretung meiner Eltern für mich tätig zu werden. Während meiner Behandlung in Großbritannien würde ich sozusagen ihr Mündel sein. Als er ihr meinen Pass gab, hatte mein Vater Tränen in den Augen. Er ergriff ihre Hand und sagte: »Dr. Fiona, ich vertraue Ihnen. Bitte nehmen Sie sich meiner Tochter an.«
    Dann kamen mein Vater und meine Mutter an mein Bett, um sich von mir zu verabschieden. Es war etwa elf Uhr abends, als sie mich zum letzten Mal auf pakistanischem Boden sahen. Ich konnte nicht sprechen, meine Augen waren geschlossen, nur meine Atemzüge sagten ihnen, dass ich noch am Leben war.
    Meine Mutter weinte, aber mein Vater versuchte, sie zu beruhigen, denn in seinen Augen war ich hervorragend versorgt. Alle die kritischen Phasen, die man meiner Familie genannt hatte, die gefährlichen 24 Stunden, die nächsten 48 beziehungsweise 72 Stunden, hatte ich überstanden. Die Schwellung des Gehirns war zurückgegangen, meine Blutwerte hatten sich verbessert. Meine Familie glaubte fest daran, dass die beiden britischen Ärzte mir die bestmögliche Behandlung zukommen lassen würden.
    Als meine Eltern in ihre Räume zurückkehrten, wollte der Schlaf sich nicht einstellen. Kurz nach Mitternacht klopfte jemand an die Tür zur Offiziersunterkunft. Es war einer der Militärs, die meinen Vater hatten überzeugen wollen, dass es besser sei, meine Mutter allein zu lassen und mich nach England zu begleiten. Nun sagte er meinem Vater, dass er mit mir fliegen müsse, weil man mich sonst vielleicht nicht aufnehmen würde.
    »Ich habe schon am Abend gesagt, dass dieses Thema für mich erledigt ist«, entgegnete mein Vater. »Warum wecken Sie mich da mitten in der Nacht? Ich werde meine Familie nicht im Stich lassen.«
    Danach schickte man einen anderen Offizier, der ihn umstimmen sollte. »Sie müssen mit, Sie sind der Vater. Wenn Sie nicht mitreisen, nimmt das britische Krankenhaus Ihre Tochter vielleicht nicht auf«, behauptete er.
    »Die Entscheidung ist gefallen.« Mein Vater blieb hart. »Ich werde meine Meinung nicht ändern. Wir werden alle nachkommen, wenn das Problem mit den Papieren geklärt ist.«
    Daraufhin meinte der Offizier: »Wir müssen noch mal ins Krankenhaus. Es gibt da ein paar weitere Formulare zu unterzeichnen.«
    Mein Vater wurde misstrauisch, es war schon nach Mitternacht. Keineswegs wollte er allein dem Offizier folgen, er bestand darauf, dass meine Mutter ihn begleitete.
    Mein Vater war so besorgt, dass er auf dem ganzen Weg einen Koranvers rezitierte. Diesen sprach Yunus, einer der islamischen Propheten, als er im Bauch des Wales gelandet war wie Jonas in der christlichen Bibel. Und mit seinen Worten betete nun mein Vater: »O Allah, ich befinde mich im Bauch eines Wales.« Diese Verse erinnern uns daran, dass es auch aus der schlimmsten Bedrängnis einen Ausweg gibt, wenn wir nur den Glauben bewahren.
    Als meine Eltern im Krankenhaus eintrafen, musste mein Vater tatsächlich nur ein paar Papiere unterschreiben, damit ich nach Großbritannien fliegen konnte. Es war alles ganz einfach. All die Geheimniskrämerei, das Militär und die Schutzlosigkeit, der unsere Familie ausgesetzt war, hatten meinem Vater düstere Gespenster vorgegaukelt. In Wirklichkeit war das Ganze nur eine simple bürokratische Angelegenheit gewesen.
    Als meine Eltern schließlich in ihre Unterkunft zurückkehrten, war ihnen das Herz schwer.
    Mein Vater wollte nicht, dass ich ohne Beisein der Familie in einem fremden Land das Bewusstsein wiedererlangte. Er glaubte, dass mich das bestimmt verwirren würde. Meine

Weitere Kostenlose Bücher