Ich bin Malala: Das Mädchen, das die Taliban erschießen ...
Schule und ihren Freunden, herumsaßen und darauf warteten, dass ich zu Kräften kam. Dennoch fand Atal es aufregend, so viel Neues zu sehen. Und ich kam bald dahinter, dass ich mittlerweile sagen konnte, was ich wollte, ohne ausgeschimpft zu werden.
Es war ein kalter Winter. Ich beobachtete die Schneeflocken durch die Fenster und wünschte mir, ich könnte ihnen hinterherrennen und sie fangen, wie wir es oft zu Hause getan hatten. Manchmal unternahmen wir Spaziergänge, damit ich kräftiger wurde, aber ich wurde jedes Mal unglaublich schnell müde. Auf dem Platz war ein Brunnen sowie ein Café von Costa Coffee. Hinter hohen Glasscheiben saßen Männer und Frauen und redeten einfach miteinander. Im Swat wäre das undenkbar gewesen. Unsere Appartements lagen in der Nähe einer bekannten Einkaufsstraße, der Broad Street, in der es auch jede Menge Nightclubs und Striplokale gibt. Wir bummelten durch die Läden, obwohl ich das Shoppen eigentlich nicht mag. Wenn wir am Abend unterwegs waren, fielen uns fast die Augen aus dem Kopf, weil die Frauen so knapp bekleidet waren: Shorts, die eher an Slips erinnerten, und nackte Beine auf den höchsten High Heels, die ich je gesehen hatte, und das mitten im Winter. Meine Mutter war so schockiert, dass sie nur noch ausrief: »
Gharqa shoma
– ich ertrinke!« Sie flehte meinen Vater an: »Bitte, bring mich nach Dubai. Hier kann ich nicht leben!« Später lachten wir nur noch über diese Geschichte. »Haben diese Frauen Beine aus Eisen, oder warum frieren sie nicht?«, sagte sie und schüttelte dabei den Kopf.
Man hatte uns gewarnt, es könne abends, besonders an den Wochenenden, in der Broad Street gefährlich werden. Darüber konnten wir nur herzlich lachen. An Gefahr konnte es die Straße mit unserer Heimat wirklich nicht aufnehmen. Gab es dort etwa Taliban, die den Leuten die Köpfe abschlugen? Ich habe meinen Eltern nichts davon gesagt, aber sobald sich uns ein Mann näherte, der irgendwie asiatisch aussah, zuckte ich zusammen. Ich glaubte, jeder von ihnen trage eine Waffe.
Meine Freundinnen halten mir einen Platz in der Klasse frei (ganz rechts).
Wöchentlich kontaktierte ich meine Freundinnen in Mingora über Skype. Sie erzählten mir, dass sie meinen Platz in der Klasse freihalten würden. Der Lehrer hatte ihnen mein Prüfungsergebnis von dem Tag gezeigt, an dem die Schüsse fielen. Ich hatte in Pakistanischer Landeskunde 75 von 75 möglichen Punkten erreicht. Aber da ich die Prüfungen danach nicht abgelegt hatte, war Malka-e-Noor Klassenbeste geworden. Obwohl man mir im Krankenhaus Unterricht erteilt hatte, befürchtete ich, ich könnte hinter die anderen zurückfallen. Jetzt waren es Malka-e-Noor und Moniba, die miteinander wetteiferten. »Aber ohne dich als Konkurrentin ist es langweilig«, gestand mir Malka-e.
Schließlich wurde ich doch mit jedem Tag kräftiger. Aber ich hatte noch nicht alle Operationen überstanden. So war der Schädel bislang nicht geschlossen. Außerdem machten die Ärzte sich Sorgen wegen meines Gehörs. Wenn ich mit meinen Eltern unterwegs war und um mich herum andere Leute sprachen, konnte ich nicht verstehen, was sie sagten. Und in meinem Ohr hörte ich ein ständiges Pfeifen.
Also kam ich an einem Samstag – es war der 2 . Februar – wieder ins Queen Elizabeth Hospital, um operiert zu werden, dieses Mal von einer Chirurgin! Ihr Name war Anwen White. Zuerst holte sie das Stück Schädelknochen aus der Bauchhöhle heraus, doch sie beschloss, es nicht zu verwenden, denn offensichtlich stellte es ein gewisses Infektionsrisiko dar. Stattdessen machte sie etwas, das man Titan-Kranioplastik nennt. (Mittlerweile kenne ich eine ganze Menge medizinischer Fachausdrücke!) Dabei wurde eine meinem Kopf angepasste Titanplatte mit acht Schrauben befestigt. Diese sollte meinen Schädel schließen und mein Gehirn schützen.
Auch Dr. Irving, der meinen beschädigten Nerv zusammengenäht hatte, war an der Operation beteiligt. Er hatte sich etwas einfallen lassen, um den Schaden an meinem linken Trommelfell auszugleichen. Er setzte ein kleines elektronisches Teil, ein Cochlea-Implantat, in der Nähe des Ohrs ein. Er sagte, in einem Monat würde er mir den äußeren Teil des Mechanismus, den Empfänger, hinter dem Ohr einpflanzen, dann würde ich wieder problemlos hören können.
Fünf Stunden war ich im OP , doch ich hatte beim Aufwachen aus der Narkose nicht das Gefühl, eine große Operation überstanden zu haben. Nach fünf Tagen war ich
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