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Ich bin Nummer Vier - das Erbe von Lorien; Bd. 1

Ich bin Nummer Vier - das Erbe von Lorien; Bd. 1

Titel: Ich bin Nummer Vier - das Erbe von Lorien; Bd. 1 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Aufbau
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abgelenkt. »Ist bei ihm alles in Ordnung?«
    »Ja, aber ich muss zu ihm – er braucht mich.«
    Sie nickt und küsst mich zärtlich. Hoffentlich nicht zum letzten Mal.
    Schnell danke ich ihren Eltern und Geschwistern und gehe, bevor sie mir zu viele Fragen stellen können. Ich gehe durch das Haus zur Eingangstür und sobald ich draußen bin, beginne ich zu laufen, den gleichen Weg wie zuvor, keine Hauptstraßen, durch den Wald. In ein paar Minuten bin ich zu Hause. Ich höre Bernie Kosar schon an der Tür kratzen, als ich die Auffahrt hinaufstürme. Er ist ganz klar aufgeregt, als ob auch er spüre, dass etwas fehlt.
    Ich laufe direkt in mein Zimmer, hole das Papier mit der Telefonnummer und Adresse heraus, das Henri mir gegeben hat, und wähle die Nummer. Eine Bandansage antwortet: »Die von Ihnen gewählte Rufnummer ist nicht vergeben.« Ich versuche es noch einmal – die gleiche Antwort.
    »Scheiße!«, brülle ich und trete nach einem Stuhl, der durch die Küche ins Wohnzimmer segelt.
    Ich gehe in mein Zimmer. Ich gehe hinaus. Ich gehe wieder hinein. Ich starre in den Spiegel. Meine Augen sind rot, Tränen stehen darin, fallen aber nicht heraus. Die Hände zittern. Wut, Zorn und eine schreckliche Angst, Henri könne tot sein, verstören mich. Ich drücke die Augen zu und presse allen Zorn in meine Magengrube. In einem jähen Ausbruch schreie ich, öffne die Augen wieder und halte meine Hände in Richtung Spiegel. Das Glas zerbricht, obwohl ich drei Meter entfernt bin. Ich starre darauf. Der größte Teil des Spiegels klebt noch an der Wand. Was mit Sarahs Kamera geschehen ist, war also kein Zufall.
    Ich strecke eine Hand vor und konzentriere mich auf eine der Scherben auf dem Boden, die ich zu bewegen versuche. Ich atme beherrscht, doch all die Angst und Wut bleiben in mir.Wobei – Angst ist ein zu schwaches Wort. Entsetzen, das ist es, was ich spüre.
    Nach etwa fünfzehn Sekunden beginnt die Scherbe zu zittern. Zuerst langsam, dann immer schneller. Henri sagte, meistens seien es extreme Gefühle, die ererbte Fähigkeiten auslösen. Das scheint jetzt zu geschehen. Ich versuche die Scherbe zu heben, spüre die Schweißtropfen auf meiner Stirn, konzentriere mich mit allem, was ich habe, und allem, was ich bin, trotz dem, was gerade geschieht. Ich ringe um Luft. Ganz langsam hebt sich die Scherbe. Einen Zentimeter, zwei, fünfzig, einen Meter über der Erde, weiter steigt das Stück Glas, mein ausgestreckter rechter Arm bewegt sich mit, bis es in Augenhöhe ist. Dort halte ich es.
Wenn nur Henri das sehen könnte!
Und wie ein Blitz fährt die Panik von zuvor durch mein neu entdecktes Glück. Die Scherbe spiegelt die holzgetäfelte Wand und lässt sie alt und morsch aussehen. Holz. Alt und morsch. Und dann reiße ich meine Augen weiter auf als je zuvor.
    Der Kasten!
    Nur wir beide zusammen können ihn öffnen. Außer ich sollte sterben – dann schaffst du es allein.
    Ich lasse augenblicklich die Scherbe fallen, rase in Henris Zimmer und nehme den Kasten vom Boden neben seinem Bett. In der Küche werfe ich ihn unsanft auf den Tisch. Das Schloss in Gestalt des lorienischen Emblems starrt mich an.
    Ich setze mich an den Tisch und starre zurück, versuche ruhig zu atmen, fürchte, ein Klicken unter meinem Griff zu spüren. »Bitte geh nicht auf …« Ich greife das Schloss und drücke es mit angehaltenem Atem, schmerzenden Armmuskeln und verschwommener Sicht, so fest ich kann. Warte auf das Klicken.
    Kein Klicken.
    Ich lasse das Schloss los, falle auf dem Stuhl zurück und halte mir den Kopf. Ein kleiner Hoffnungsschimmer. Auf der Plattezwei Meter entfernt liegt ein schmutziger Löffel. Ich konzentriere mich darauf, fahre mit der Hand über meinen Körper – und der Löffel fliegt. Henri wäre glücklich.
Henri, wo bist du
?
Irgendwo und noch am Leben
.
Und ich werde kommen und dich holen!
    Ich wähle die Nummer von Sam – dem einzigen Freund, neben Sarah, den ich in Paradise gefunden habe, dem einzigen Freund, den ich je hatte.
    Er antwortet nach dem zweiten Läuten. »Hallo?«
    Ich schließe die Augen, drücke meinen Nasenrücken und hole tief Luft. Das Zittern ist zurück, falls es überhaupt je weg war.
    »Hallo?«
    »Sam!«
    »Hey«, sagt er dann. »Du klingst beschissen. Alles okay?«
    »Nein. Du musst mir helfen.«
    »Hm? Was ist passiert?«
    »Kann deine Mom dich herbringen?«
    »Sie ist nicht da. Sie macht Schichtdienst im Krankenhaus, weil sie an Feiertagen doppelt bezahlt wird. Was ist

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