Ich bin Nummer Vier - das Erbe von Lorien; Bd. 1
Panik. Der Tisch, an dem schon alle sitzen, sieht großartig festlich aus mit den Blumen in der Mitte, feiner Tischwäsche und den Gedecken genau vor den Stühlen. Die Schüsseln sind über den Tisch verteilt, der Truthahn liegt vor Mr. Hart.
Kaum sitze ich, kommt Mrs. Hart herein, jetzt ohne Schürze, dafür mit schönem Rock und Pulli. »Hast du was von deinem Dad gehört?«, fragt sie.
»Gerade habe ich ihn angerufen. Er ist aufgehalten worden und bittet Sie, nicht auf ihn zu warten. Es tut ihm sehr leid, dass er unpünktlich sein muss.«
Mr. Hart tranchiert den Truthahn. Sarah lächelt mir über den Tisch hinweg zu, was mich kurz ablenkt. Ich nehme mir nur wenig von allem, vermutlich kann ich eh nicht viel essen. DasHandy liegt auf meinem Schoß und soll vibrieren, wenn ich einen Anruf oder eine Mitteilung bekomme. Doch daran glaube ich jetzt nicht mehr, wahrscheinlich werde ich Henri nie wieder sehen. Der Gedanke, allein zu leben – mit dem Erbe, das sich entwickelt, während niemand es mir erklären oder mit mir üben kann, mit Davonlaufen, Verstecken, Kämpfen gegen die Mogadori, Sieg oder Niederlage und Tod – entsetzt mich.
Dieses Dinner dauert ewig! Die Zeit vergeht unfassbar langsam, während alle Harts mich mit Fragen bombardieren über meine Vergangenheit, die Wohnorte, über Henri, meine Mutter, die, wie ich immer sage, gestorben ist, als ich noch sehr klein war. Ich habe keine Ahnung, ob meine Antworten einen Sinn ergeben. Das Handy auf meinem Schoß fühlt sich an, als würde es tausend Pfund wiegen. Es vibriert nicht. Es liegt einfach nur da.
Nach dem Hauptgang und vor dem Dessert bittet Sarah alle in den Hinterhof, um Fotos zu machen. Draußen fragt sie mich, ob etwas nicht in Ordnung sei. Ich erkläre ihr, dass ich mir Sorgen um Henri mache. Sie versucht natürlich mich zu beruhigen, aber es hilft nichts. Im Gegenteil, ich werde nur noch beunruhigter. Wo steckt er nur? Was macht er? Das einzige Bild, das sich nicht aus meinem Kopf verscheuchen lässt, ist eines, auf dem er in Todesangst vor einem Mogadori steht und weiß, dass er gleich sterben wird. Während wir uns für die Fotos hinstellen, gerate ich in Panik. Wie kann ich nach Athens kommen? Laufen – aber abseits der Hauptstraßen wäre es schwierig, hinzufinden. Mit dem Bus würde es zu lange dauern. Und Sarah zu bitten, mich hinzufahren, würde einen Haufen Erklärungen bedeuten – unter anderem, dass ich ein Außerirdischer bin und glaube, dass Henri entweder entführt oder gar gekillt wurde von einem feindlichen Alien, der nun nach mir sucht, um auch mich zu töten. Keine gute Idee.
Während wir posieren, wird mir immer klarer, dass ich hierweg muss. Aber wie? Und wie vor allem so, dass Sarahs Familie mich nicht für immer hasst?! Ich starre in die Kamera, während ich versuche, mir eine Entschuldigung auszudenken, die nicht zu viele Fragen nach sich zieht. Ich bin so sehr mit mir selbst beschäftigt, dass ich kaum bemerke, wie meine Hände zittern und heiß werden. Dennoch bekomme ich es wenigstens hin, auf sie herabzusehen, um mich zu vergewissern, dass sie nicht leuchten. Tun sie nicht. Aber als ich wieder aufblicke, sehe ich plötzlich, wie die Kamera in Sarahs Händen zittert. Ich weiß, dass ich das auf irgendeine Art und Weise auslösen muss, aber ich habe nicht die geringste Ahnung, wie oder was es stoppen kann. Ein Schauer läuft mir über den Rücken. Der Atem bleibt mir im Hals stecken und im gleichen Augenblick zerspringt die Linse der Kamera und fällt in Scherben zu Boden. Sarah schreit erschrocken auf, dann schaut sie verwirrt die Kamera an und Tränen sammeln sich in ihren Augen.
Ihre Eltern laufen zu ihr, um zu sehen, ob sie okay ist. Ich weiß nicht so recht, was ich tun soll. Ich schäme mich wegen der Kamera und deshalb, weil Sarah so geschockt ist, aber zugleich freue ich mich, dass meine Telekinese zweifellos funktioniert hat. Werde ich sie je beherrschen können? Henri wird begeistert sein! Henri. Meine Panik kommt zurück. Ich balle meine Fäuste. Ich muss hier weg. Ich muss ihn suchen. Und wenn die Mogadori ihn haben, was ich nicht hoffe, dann werde ich jeden verdammten Einzelnen von ihnen umbringen, damit ich Henri zurückbekomme.
Schnell denke ich nach, gehe zu Sarah und ziehe sie weg von ihren Eltern, die jetzt die Kamera untersuchen. »Ich habe gerade eine Nachricht von Henri bekommen. Tut mir wirklich sehr leid, aber ich muss gehen.«
Sie schaut von mir zu ihren Eltern und ist sichtlich
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