Ich bin o.k. – Du bist o.k. • Wie wir uns selbst besser verstehen und unsere Einstellung zu anderen verändern können. Eine Einführung in die Transaktionsanalyse
darangesetzt, hilfsbereit die Schwierigkeiten in der Familiensituation zu besprechen, Ängste durch die Beantwortung von Fragen auszuräumen und Furcht durch freundliche Unterstützung zu beschwichtigen. Andere haben sich auf eine eher väterliche Position zurückgezogen, die im Wesentlichen besagt: «Folgen Sie meinen Anweisungen und tun Sie, was ich Ihnen sage, dann kommt schon alles in Ordnung.» Wenn es jedoch ernste Beziehungsprobleme zwischen den Ehepartnern gibt, dann werden sie durch diese Einstellung in den Hintergrund verdrängt, denn schließlich muss das Baby an erster Stelle kommen. Aber die ungelösten Probleme bleiben für Mutter und Vater eine Quelle ständiger Gereiztheit und Entfremdung, und das in den ersten Lebensmonaten oder -jahren des Säuglings, in denen das Kind entscheidend geprägt wird – vor allem von seinen Eltern!
Die Eichhorns, die beide dem Aufsichtsrat des Instituts für Transaktions-Analyse angehören, führten 1965 den El-Er-K-Unterricht in ihren Kursen für künftige Eltern ein. Mann und Frau finden sich einmal in der Woche zu abendlichen Zusammenkünften ein. Die Teilnahme ist freiwillig, doch die meisten Paare kommen regelmäßig. Neben den üblichen Unterweisungen über Schwangerschaft und Entbindung werden die Grundsätze der Transaktions-Analyse gelehrt, und zwar im Hinblick auf die aktuelle Situation des Ehepaars: die Erwartung ihres ersten Kindes.
Es handelt sich bei dieser El-Er-K-Lehre um ein Instrument, das für einen besonderen Zweck eingesetzt wird; doch die Paare stellen fest, dass sie dieses Instrument auch auf viele andere Lebensprobleme nach der Ankunft des Babys anwenden können. Der Gruppenunterricht in El-Er-K umfasst für jedes Ehepaar etwa vierundzwanzig Stunden, aber die dabei entwickelte Sprache wird zur Grundlage für weitere Diskussionen, wenn die werdende Mutter zu ihren regelmäßigen Schwangerschaftsuntersuchungen kommt. Häufig wird sie dabei von ihrem Mann begleitet, der eher als Beteiligter denn als Zuschauer behandelt wird.
Man entdeckte, dass die Kenntnis von El-Er-K früh in der Schwangerschaft dem Paar dazu verhilft, den Ursprung einiger neuer, ziemlich komplizierter und nicht nur positiver Gefühle zu verstehen. Junge Menschen, deren Eltern-Ich viele maßgebende undifferenzierte Aufzeichnungen über Geschlechtsverkehr und Schwangerschaft enthält, müssen damit rechnen, dass diese Aufzeichnungen bei dem emotional aufgeladenen Erlebnis zu Wort kommen. Selbst wenn ein junges Paar die Schwangerschaft geplant und sehnlich erwartet hat, kann es doch zeitweilig unter «unerklärlichen» Depressionen leiden. Eine Heiratsurkunde und eine eigene Wohnung löschen nicht das Band des Eltern-Ichs, auf dem «Ich bin schwanger» eine schreckliche Nachricht bedeutet. Auch die Aufzeichnung im Eltern-Ich des Mannes bleibt unverändert, deren Wiedergabe ihn zu der Erkenntnis bringt: «Ich bin schuld, dass du schwanger bist.»
Viele andere starke Gefühle sind mit der Schwangerschaft verbunden. Gerald Caplan bezeichnet diese neun Monate als «eine Periode verstärkter Anfälligkeit für Krisen, eine Periode, in der wichtige Probleme in zunehmendem Maße auftreten» [46] . Zu den äußeren wirtschaftlichen und sozialen Veränderungen treten innere, die sowohl den Stoffwechsel wie das Gefühlsleben betreffen. Die Mutter muss eine neue Rolle erlernen, besonders wenn es ihr erstes Baby ist. Sie muss mit der Einsamkeit bei der Entbindung fertig werden und mit der Einsamkeit zu Hause, wenn sie mit dem Baby allein ist, ein Problem vor allem für die bisher berufstätige Frau. Und sie steht vor der neuen Verantwortung, die Zeit einzuteilen, zu strukturieren. Die Frau, die ihr erstes Baby bekommt, steht außerdem vor der grundlegenden Erkenntnis, dass ihre Mädchenzeit ein für alle Mal vorbei ist, dass sie die Grenze zur älteren Generation überschritten hat: jetzt gehört sie zu den Müttern. Hier stellt sich das gleiche Empfinden von der Kürze des Lebens und dem unaufhaltsamen Zerrinnen der Zeit ein, das Leute bei Hochzeiten weinen lässt. Die feierlichen Momente im Leben öffnen zwar Türen zur Zukunft, doch sie schließen auch die Tür hinter der Vergangenheit, und eine Umkehr ist unmöglich. Diese Gefühle erlebt auch die junge Mutter.
Manchmal wirken diese Gefühle so depressiv, dass sich daraus eine sogenannte Post-partum- oder Wochenbett-Psychose entwickelt. In solchen Fällen wird das Kindheits-Ich so unter Druck gesetzt, dass es über die Ufer tritt und
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