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Ich bin schizophren und es geht mir allen gut

Titel: Ich bin schizophren und es geht mir allen gut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dirk Bernemann
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Parolen in die Wurstmaschine der Welt geworfen haben, und was am Ende rauskommt, ist doch nur Blut. Dann denkt man an diese Idioten und mag sie und ihre Freunde ausrotten, weil einem die Doofheit nicht passt, weil die Doofheit XXL ist und man selbst seine persönliche Weltanschauung eher in der Kinderabteilung findet. Also das Denken, das eigene, ist naiv, aber groß, so unsagbar groß, dass man damit den Atlantik zudecken könnte. Man hat doch immer eine Lösung im Rucksack der Liebe, für alles, gegen alles und alles ist immer wahnsinnig groß.
    Später am Abend, und es ist der gleiche Tag, liegt man dann auf seinem Bett und starrt die Decke an und findet sich sympathisch. Wieder fallen einem große Gedanken auf, die den Staat in seinen Grundfesten erschüttern können. "Anarchie ist machbar, Herr Nachbar", so zwitschert es in deinem Schädel und eigentlich willst du jetzt aufstehen und irgendwas anzünden, zumindest aber umtreten, und du schwörst dir außerdem, dass der nächste Nazi, dem du auf der Straße oder sonst wo begegnest, auf direktem Weg nach Walhalla verwiesen wird. Weiterhin aber starrst du an die Decke und findest dich gut in dieser Denkhaltung. Unheimlich viele Zigaretten werden der Gesundheit geopfert und du starrst und die Decke ist aus Beton so wie die Demokratie da draußen. Alles selbst gewählt. Die Mauern wie auch die Staatsform. Und plötzlich wirst du furchtbar aggressiv und depressiv, eine ganz schlimme Mixtur, der Cocktail aus Emotionen, der niemandem schmeckt, und du wirfst den Aschenbecher runter, und das macht nur ganz kurz ein Glücksgefühl, vor allem aber Dreck. Denken hilft nicht mehr, denkst du. Handeln willst du, doch die Depression gewinnt gegen die Aggression und du bleibst liegen und ascht einfach auf den Fußboden und sinnierst darüber, wie relativ du doch bist. Außerdem minimalistisch, und das ist wieder cool. Also eine Einfachheit vorzuweisen in einer Welt voller Komplexe. Aber das ist Selbstbetrug, stellst du nach zwei weiteren Zigaretten fest.
    Und morgen, so denkst du noch ganz kurz vor dem Einschlafen, morgen gehst du los, mit voller Wucht, aber nicht so unreflektiert wie die ganzen Political Correctness verseuchten Deppen und schon gar nicht so besoffen wie die ganzen Punks. Ja du gehst los und hebst die Welt aus den Angeln mit klugen Worten und wenn es sein muss mit Gewalt. Ja, du willst Körpereinsatz, Vollkontakt zur Welt und suchst in ihr die Lösung. Du fühlst dich minimal im Jetzt und die Hoffnung ist eine große und vor allem gesegnete. Das Morgen ist dein Portal, durch das du glanzvoll zu schreiten gedenkst. Wenn eine Revolution, dann meine, denkst du und schläfst ein. Morgen wird kommen, ja morgen, stille Revolte. Und dann poltert die Revolte, die du wolltest, gewollt im Hintergrund und du bist daran beteiligt, dass alles anders wird. Und was bleibt, ist die eine Hoffnung, dass es auch dem Unpolitischen gelänge, Liebe zu organisieren. Und dann war ich etwas später auf einer Party und da geschah dann Folgendes: In der Mitte gurgelt jemand Durchfall
... was soll'n die Nazis raus aus Deutschland, das macht doch keinen Sinn, die Nazis können gar nicht raus, denn hier gehör'n se hin ...
Goldene Zitronen - Flimmern
    Faschismus, so denke ich immer wieder, entsteht selten am Rand. Also am rechten Rand. Da ist zwar eine Menge ungewollter und stupide ringender und brachial stumpfer Bewegung, doch die Wurzeln des Übels vermute ich in der Mitte unseres Gesellschaftsgebildes, bei den okayen Leuten.
    Die Quelle durchfallfarbenen Übels sind die Arschtoleranzen der Durchschnittsunextremisten, denen egal ist, ob anderen etwas wehtut. Die zwar beobachten, jedoch wenn sie einen Missstand erkennen, diesen als zur Gesellschaft zugehörig empfinden und dann Toleranz walten lassen. Nazis sind keine Außerirdischen, sondern ein Teil unserer Stabilität, sagen die studiert Verplanten. Ich sage dann immer: Und jetzt noch einmal Damit ihr wisst, wie es ist: Nur ein toter Faschist Ist ein guter Faschist!
    Und das Leben der unauffälligen, systemtreuen Leute funktioniert wie ein Motor, in den man als Treibstoff Arbeit, Akzeptanz von Unterdrückung, moderne Sklaverei getarnt als Lohnarbeit, Globalisierung und Gleichschaltung, die Kapitalisierung der Gesellschaft in der Vermarktung des neonlichtbestrahlten Neogottes "Geld" und andere Unannehmlichkeiten tankt, um dann die Einbildung geschenkt zu bekommen, man könne sich frei bewegen. Da ist eine Armee, die macht Sicherheit, da

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