Ich bin total spontan - wenn man mir rechtzeitig Bescheid gibt
Regal, an dem Sie sonst nie vorbeikommen, gibt es japanische Nahrungsmittel. Exotische Verpackungen und ebenso exotische Namen. Wow, Sie kaufen etwas davon, und abends gibt es mal was anderes als die schnell gekochten Nudeln oder die Tiefkühlpizza. Oder Sie entdecken ein ganzes Regal mit mindestens 15 verschiedenen Toastsorten. Hatten Sie gewusst, dass es so viele gibt? Sie beschließen, die nächsten Wochen jeden Morgen einen anderen Toast zu testen. Oder nehmen Sie bei jedem Besuch im Supermarkt einen anderen Weg. Alle führen zur Kasse, aber jeder verheißt ein anderes Abenteuer. Supermarkt - ich komme!
Vielleicht wird auch Ihre nächste Bahnfahrt zur Expedition. Anstatt durch den ganzen Zug zu laufen, bis Sie einen Platz finden, wo Sie möglichst ungestört sitzen, suchen Sie sich einen Platz neben einem Mitreisenden, der Ihnen interessant erscheint. Oder andersrum, Sie sitzen schon im Zug und sobald am Bahnhof viele Menschen einsteigen, starren Sie nicht mehr mit möglichst unsympathischem Gesicht auf Ihre Zeitung und legen all Ihr verfügbares Gepäck auf den Sitz neben sich. Nein, Sie räumen den Platz frei und lächeln die Einsteigenden interessiert und freundlich an. Dann beginnen Sie ein Gespräch mit dem Menschen, der sich neben Sie setzt.
In welchen Momenten können Sie Ihre ausgelatschten Anti-Spontaneitäts-Wege verlassen? Was kann denn schon passieren, wenn Sie einen anderen Weg durch den Supermarkt einschlagen? Wie schlimm ist es wirklich, wenn Sie 30 Minuten lang neben jemandem im Zug sitzen? Wenn es gut läuft, haben Sie eine neue Bekanntschaft gemacht, und wenn es schlecht läuft, sitzt vielleicht ein verschwitzter Menschen ein Weilchen neben Ihnen. Auf jeden Fall aber haben Sie spontan
gehandelt. Trainieren Sie in Situationen, in denen die Folgen Ihres spontanen Handelns kalkulierbar sind. Am Ende des Buches werden Sie kein Sicherheitsnetz mehr brauchen, da Sie sich sicher fühlen.
In der Regel kommen die Erwartungen, in einer bestimmten Situation spontaner zu reagieren, nicht von außen. Unsere eigenen Erwartungen spielen eine viel größere Rolle als unser Umfeld. Wir erwarten von uns selbst, spontaner aufzutreten, und ärgern uns, wenn wir nicht so reagiert haben, wie wir es uns gewünscht hätten. Und genau das ist Ihre nächste Chance. Sie sind Ihr eigener Spontaneitäts-Trainer: Sie dürfen es sich erlauben, auch mal nicht »richtig« zu handeln oder einen »Fehler« zu machen. Das gehört zum Training. Und über kurz oder lang werden Sie auch viel kreativer und spontaner mit Situationen umgehen, die nicht planbar sind oder vom Plan abweichen.
Aller Anfang ist schwer.
Auch nach all den Jahren Improvisationstheater kämpfe ich immer wieder mit meinen eigenen Anti-Spontaneitäts-Wegen und muss hin und wieder an mir arbeiten. Ich wohne in einem kleinen Vorort von Hamburg. Und da ich kein Auto besitze, fahre ich S-Bahn. Auf meinen täglichen Wegen hat sich schon so etwas wie eine Routine eingeschlichen. Ich komme zum Bahnhof, gehe eine Treppe runter und eine andere wieder rauf zu den Gleisen, um in den ersten Wagen des Zuges, der einfährt, einzusteigen. Er hält an der Station, an der ich aussteigen muss, um ins Theater zu kommen, genau vor der richtigen Treppe, die zu meinem Anschlusszug führt.
So weit, so gut. Solche Abläufe kennt jeder von uns. Doch was passiert, wenn wir diese Routine auf einmal durchbrechen müssen? Durchbrechen wollen? Ich habe fünf Tage lang auf einer Messe in Hamburg
moderiert. Und um bei der Anfahrt Zeit zu sparen - ich schlafe gerne lang -, musste ich nicht in den ersten Wagen einsteigen, sondern in den letzten. Ich musste mir also ganz einfach nur merken: Statt erster Wagen ab heute letzter Wagen. Ich dachte, das sei ganz einfach... Erster Tag: Ich gehe die eine Treppe nach unten, die andere wieder rauf, steige in den ersten Wagen ein und denke mir, als ich an der Messe angekommen bin: Oh Mann, du wolltest doch in den letzten Wagen einsteigen.
Zweiter Tag: Ich gehe die eine Treppe nach unten, dann die andere nach oben, steige in den ersten Wagen und bemerke, als die S-Bahn losfährt, dass ich doch in den letzten Wagen einsteigen wollte. Immerhin schon ein Fortschritt: Es fällt mir ein, bevor ich an der Messe angekommen bin.
Dritter Tag: Ich gehe die eine Treppe nach unten, nehme die andere nach oben und denke, als ich oben ankomme, dass ich doch hinten einsteigen muss. Ich mache mich auf den Weg zu dem Haltepunkt des letzten Wagens, komme aber nur bis
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