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Ich bin unschuldig

Ich bin unschuldig

Titel: Ich bin unschuldig Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabine Durrant
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kennt mich einfach sehr gut. Wenn ich, als wir klein waren, manchmal einfach bei ihr zu Hause auftauchte, wusste sie immer instinktiv, wann ich reden musste und wann Ablenkung angesagt war.
    Ich lege die Hand über die Sprechmuschel und putze mir die Nase mit einem Papiertaschentuch, das sich unter meinem Kissen verkrochen hat.
    »Ken sagt, dein Ersatz, die junge Frau, die sonst die Beiträge auf Twitter macht, ist nicht halb so gut.«
    Ich räuspere mich. »Ehrlich?«
    »Kein Vergleich.«
    »Ist er ein Fan?«, frage ich, ein leiser Anflug von Eitelkeit, um ihr zu zeigen, dass es mir gut geht.
    »Alle sind Fans«, sagt sie kaum vernehmlich. »Das weißt du doch. Also, Gabs, was ist passiert? Was ist los?«
    »Wie lange hast du Zeit?«
    Sie nimmt die Frage wörtlich, damit zeigt sie mir, dass es ihr ernst ist. »Fünfzehn Minuten.«
    Ich erzähle ihr alles – jedenfalls fast. Ich berichte ihr von der Verhaftung und der Vernehmung und wie klein die Zelle war. Ich erwähne weder die Kreditkarte noch die italienischen Erdbröckchen. Auch was Perivales Befragung angeht, gehe ich nicht ins Detail. Als ich mich diesem Punkt nähere, verkrampft sich alles in mir. Ich merke, dass er mir das Gefühl gibt, als Mensch völlig bedeutungslos zu sein, als könnte er mich zu allem formen, was er wollte, und dass er es genau darauf abgesehen hat.
    »Hatte die Zelle eine Toilette?«, fragt Clara, als ich schweige.
    »Eine davon schon.«
    »Bist du draufgegangen?«
    »Ich musste pinkeln. Konnte es nicht einhalten. Etwas anderes hatte ich nicht.«
    »Toilettenpapier?«
    »Nein. Ich musste mich ein bisschen schütteln.«
    »Das ist unmenschlich! Kein Toilettenpapier in der Polizeizelle in Battersea, das ist schockierend! Du solltest ein Exposé schreiben.«
    »Ich glaube, es ist schon ein anderes Exposé in Vorbereitung.«
    »Sind die Klatschreporter noch vor deinem Haus? Auf einem Foto sind mir die Olivenbäume ins Auge gefallen, sie sehen gut aus.«
    »Ja.«
    Sie meint, jetzt da die Polizei »ihre Fehler eindeutig eingesehen hat«, sollte ich mit einem von der Journaille reden und ihm ein Exklusivinterview geben, damit die anderen verschwinden, wie wenn die Leute aus dem Big-Brother-Haus kommen. »MeineGeschichteMeineTortur«, sagt sie und zieht es zu einem Wort zusammen. »Los, mach’s. Bring’s hinter dich. Und wenn du schon dabei bist, dann erwähn auch gleich das fehlende Toilettenpapier. Mach Lobbyarbeit. Sorg dafür, dass im Parlament Fragen gestellt werden.«
    »Ich könnte bekannt werden als die Frau, die den inhaftierten Massen dreilagiges Toilettenpapier zurückgegeben hat.«
    »Oder sogar vierlagiges«, wirft sie ein. »Oder dieses Papier, das mit Aloe vera getränkt ist. Oder die extraweiche Sorte. Oder, verdammt, warum sollten Verbrechern keine Feuchttücher zugestanden werden?«
    Wir lachen. Meine Augen fühlen sich eng und schmal an. Als meine Brust sich zusammenzieht, durchzuckt mich ein Stich.
    »Wann gehst du wieder zur Arbeit?«, fragt sie schließlich.
    »Terri hat mir ein paar Tage freigegeben. India, die Twitterin, ist schon lange scharf darauf, meinen Platz einzunehmen. Hat Ken, der Physiklehrer, wirklich gesagt, sie tauge nichts?«
    »Ja.«
    »Ich fühle mich so mies.« Meine Stimme bricht. »Was soll ich bloß machen, Clara?«
    »Tu gar nichts. Du hast gerade eine traumatische Erfahrung gemacht. Bevor du dich’s versiehst, bist du wieder zurück in der Arbeit. Du musst dich erholen. Verbring ein bisschen Zeit mit Philip.«
    Die Schulglocke läutet. Sie hat jetzt Werkunterricht mit ihren Neunjährigen. Sie ruft mich später noch mal an, um zu schauen, wie ich mich »über Wasser halte«. Eine gute Wortwahl, »über Wasser halten«. Der Begriff erinnert an Seereisen und heiteres, mildes Wetter. Er enthält Optimismus. Sie weiß nicht, dass Philip nicht da ist.
    »Du bist eine Überlebenskünstlerin, Gabs«, fügt sie mit einer deutlichen Besorgnis hinzu, die unter den Späßchen schon die ganze Zeit spürbar war. »Was du alles allein zustande gebracht hast, als wir klein waren. Du schaffst das. Du hast schon Schlimmeres gepackt.«
    Nachdem ich aufgelegt habe, verlasse ich das Bett und wasche mir das Gesicht. Ich betrachte mich im Spiegel – hohlwangig, rote Augen. Ich ziehe mich an. Meine Lieblingsjeans kann ich nicht finden, also ziehe ich eine Trainingshose und einen Pullover an. Durch die Lamellen des Rollos spähe ich aus dem Schlafzimmerfenster. Die Wolken haben sich verzogen, und es sieht nach einem

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