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Ich bin unschuldig

Ich bin unschuldig

Titel: Ich bin unschuldig Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabine Durrant
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wischt das Olivenöl auf seinem Teller mit einem Stück Brot auf. Die Möhren hat er in eine Ecke geschoben, und er gibt sich große Mühe drum herumzuwischen. Jetzt fällt mir auch ein, dass Vorderman keinen Estragon benutzt hat, sondern Koriander. »Richtig gut, die Tomaten. Nein. Keine Kinder.«
    Ich frage ihn, wie es ihn zum Journalismus verschlagen hat, und er setzt zu seiner Lebensgeschichte an: South Yorkshire, jüngstes Kind, Mutter tot, Vater lebt noch, besuchte irgendwo einen Journalismuskurs, eine Londoner Abendzeitung, gefolgt vom Express – oder hat er Mirror gesagt? –, heute als Freier. Von dem, was er sagt, kriege ich nicht viel mit. Mich interessiert etwas ganz anderes: Wie clever ist er? Wie nett? Kann er mich wirklich aus diesem Durcheinander rausholen? Wird er einen guten Artikel schreiben? Kann ich ihm vertrauen? Der leichte Yorkshire-Akzent, den man mit Ehrlichkeit assoziiert, wird deutlicher, wenn er über seine Familie spricht – die kurzen Vokale, das »g« in »jüngstes«, an das er sich klammert wie an eine Schmusedecke.
    »Egal«, sagt er nach einer Weile, »genug von mir.« Er schüttelt kurz den Kopf, wie um zu sagen: »Ich bin langweilig«, obwohl ich ihn gar nicht langweilig finde.
    »Ania Dudek«, sagt er unvermittelt.
    In meinen Ohren setzt ein Klingeln ein, eine Welle der Panik. Ich fühle mich schuldig. Ich hatte vergessen, dass es hier nicht nur um mich geht, sondern auch um sie. Es war mir gelungen, sie für eine Weile ganz aus meinen Gedanken zu verbannen. »Ania Dudek«, wiederhole ich und warte darauf, dass sich der innere Tumult legt.
    Er schiebt seinen Teller zur Seite, langt in die Tasche, verharrt einen Augenblick und zieht die Hände wieder raus. Ohne Zigaretten. »Also, es ist mir ein Rätsel. Was ich mitbekommen habe, als ich da draußen rumgelungert habe, ist, dass sie eine arbeitsame Polin war, die am Froebel College in Roehampton eine Ausbildung zur Lehrerin absolvierte und rund um die Uhr arbeitete, um über die Runden zu kommen: Kinder hüten, Hunde ausführen, babysitten. Sie lernte Ballett und hatte einen Antrag auf die britische Staatsbürgerschaft gestellt. Was sagen Sie dazu? Sie war intelligent, hat etwas aus sich gemacht, hat Wurzeln geschlagen, und am Ende ist sie tot, mit einem dünnen Seil in ihrer eigenen Wohnung erdrosselt und ein paar Schritte weiter mitten auf dem Wandsworth Common abgelegt. Schwanger«, fügt er noch hinzu, als bräuchte diese Tatsache um sich herum ein wenig Platz.
    Ich warte einfach. Manchmal schließe ich bei dem Gedanken, dass sie schwanger war, die Augen.
    »Und die Polizei glaubt, Sie waren es.«
    Unwillkürlich stoße ich einen leisen Laut aus, denn das Nebeneinander dieser beiden Fakten ist schwer zu ertragen.
    Hayward hat das Käsepapier und die Salatschüsseln ein Stück von sich weggeschoben, wie um klar Schiff zum Gefecht zu machen. »Es heißt, es sei eine fixe Idee von Perivale.«
    »Eine fixe Idee?« Ich ziehe eine Augenbraue hoch.
    Er bedenkt mich mit einem missbilligenden Blick. »Eine fixe Idee. Mickey Smith vom Mirror – er ist ein richtiger Kriminalreporter, kennt sich aus, der Bursche – sagt, DI Perivale hat eine Handvoll Fakten und ist fest entschlossen, sie sich zurechtzustutzen. Die Polizistin … wie heißt sie noch?«
    »Morrow. PC Morrow.«
    » PC Morrow ist nicht glücklich darüber, wie die Ermittlungen laufen. Mickey hat im Pub mit angehört, wie sie mit einem anderen Polizisten darüber geredet hat, wie ›borniert‹ Perivale sei. Die meisten Menschen werden von jemandem umgebracht, der ihnen nahesteht – Ehemann, Ehefrau … Die Sache mit Anias Freund ist weiterhin rätselhaft. Ich weiß nicht, warum sie den nicht unter die Lupe nehmen. In neunundneunzig von hundert Fällen ist es der Freund.«
    »Er war nicht im Land, als sie umgebracht wurde«, sage ich. »Das hat Perivale mir erzählt.«
    »Aha.«
    Ich lache. »Und schon geht Ihre Theorie baden.«
    Er wirkt nachdenklich. »Trotzdem seltsam, dass er so besessen ist von Ihnen. Mickey Smith denkt, es hat was mit dem Morgen zu tun, an dem Sie die Leiche gefunden haben.«
    »Das war mein großer Fehler«, sage ich, »die Leiche zu finden.«
    »Ihre DNA überall … hat nicht gut ausgesehen.«
    »Ich habe ihr den BH zugemacht und vergessen, es ihm zu sagen. Ich habe ihr Haar berührt.«
    »Eine simple Erklärung. Dann sind da noch die anderen Hinweise. Die Erde … ich bin überzeugt, wenn wir in sämtlichen Straßen in der Gegend hier eine

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