Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Ich bin verboten

Ich bin verboten

Titel: Ich bin verboten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anouk Markovits
Vom Netzwerk:
geharkte Kies.
    Die Mauern des Palais du Luxembourg falteten sich ins kräuselnde Wasser des Beckens, zogen in Wirbeln um den Springbrunnen und lösten sich in glitzernden Sonnentröpfchen auf …
    »Atara! Mila!«
    Nathalie, die neue Spielplatzfreundin der Mädchen, kam mit ihrem Fahrrad über die Terrasse gefahren und winkte ihnen zu. »Wollt ihr eine Runde drehen?«
    Mila und Atara rannten zum Fahrrad. Mila schwang sich auf den Sattel, und Atara nahm auf dem Gepäckträger Platz.
    »Aber nur eine Runde!«, rief Nathalie ihnen nach.
    Milas rechter Fuß trat schwer ins Pedal, dann der linke. Die Speichen warfen drehende Schatten, als das Fahrrad die Spielzeugsegelboote im Wasserbecken überholte. Mila lehnte sich in eine Kurve, und Atara umklammerte ihre Taille. Mila trat noch schneller in die Pedale, und Ataras Arme flogen hoch. Am Sandkasten, in dem sich Kleinkinder mit Plastikschaufeln auf die Köpfe schlugen, wurde Mila langsamer, doch auf einem Fahrrad war selbst das Langsamerwerden aufregend. Milas Schuh rutschte vom Pedal ab, und das Fahrrad kippte zur Seite, doch Atara beugte sich auf die andere Seite, so dass das Rad wieder in sein wunderbares Gleichgewicht fand.
    Jetzt glitt auch der andere Schuh vom Pedal, Milas schwarzer Sabbatlackschuh mit der Ledersohle …
    Auf dem Berg Sinai hatte es bestimmt noch keine Fahrräder gegeben, dachte Atara. Denn hätte es welche gegeben, wäre das Fahrradfahren am Tag der Ruhe nicht verboten worden. Schließlich war es keine Anstrengung, ganz im Gegenteil, und außerdem sollte man sich am Sabbat freuen … »Jetzt bin ich dran!«, rief Atara.
    Mila hielt das Rad an, und die Mädchen tauschten die Plätze. Atara fuhr im Stehen. Blumen und Hecken schossen vorbei, sie fuhr schneller und schneller. Kindergeschrei sprenkelte die Luft, schwang mit den Schaukeln, sauste hüpfend über die Rutsche …
    Ein Kreischen.
    Leah Bloch kam mit den Kleinen im Schlepptau über den Rasen gerannt.
    Atara bremste. Das Hinterrad rutschte weg.
    »Sabbat!«, schrie Leah Bloch aus Leibeskräften.
    Mila und Atara sprangen vom Rad, noch bevor es vollständig zum Stehen gekommen war.
    »Du berührst es immer noch!«, rief Leah Bloch.
    Atara ließ das Fahrrad los, und es fiel zu Boden.
    »Sabbat!«, schrie Leah Bloch erneut. »Ihr müsst es eurem Vater sagen. Ihr müsst ihm sagen, was ihr am Sabbat getan habt.«
    Mila fiel ein, dass Juden nur einen Sabbat einhalten mussten. Wenn sie nur einen Sabbat richtig einhielten, würde der Messias kommen und ihre Eltern zum Leben erwecken. Sie wischte sich die Tränen von den Backen.
    Atara ging Nathalie suchen, das Fahrrad ließen sie im Kies liegen. Nein, sie sei nicht gestürzt, versuchte Atara der Freundin zu erklären, nein, weder sie noch Mila hätten sich verletzt, und nein, sie konnten das Fahrrad leider nicht zurückbringen – sie dürften es nicht berühren.
    Mila und Atara verließen den Jardin du Luxembourg durch ein Tor, das sie noch nie zuvor genommen hatten. Ob Zalman es erfahren würde? Vielleicht hatte jemand aus der Gemeinde gesehen, wie die Kinder des neuen Rabbi den Sabbat verletzten … Würde Leah Bloch sie verraten? Oder eines der Geschwister? Die Mädchen gingen an den Quais entlang, immer weiter, bis das heisere Möwengeschrei in die untergehende Sonne schnitt. Schließlich sahen sie ein, dass sie mit acht und sieben Jahren zu jung waren, um wegzulaufen. Mit schlaff herabhängenden Haarschleifen traten sie den Heimweg an.
    Vielleicht würde Zalman nicht ganz so wütend sein, wenn sie ihm zuerst in der Synagoge gegenübertraten.
    Die Mädchen warteten zwischen den Bänken der unbeleuchteten Frauenempore.
    Bald sahen sie Zalman in der Tür stehen. Die Frauenempore würde er niemals betreten, selbst wenn keine erwachsene Frau anwesend war. Er winkte die Mädchen zu sich. Atara erreichte ihn als Erste. Der Schlag ließ sie die drei Stufen zum Vorraum hinunterstürzen. »Ab nach Hause!«
    Zalman hatte seine Kinder noch nie geschlagen.
    Die Mädchen gingen nach Hause.
    Hannah wandte sich von ihnen ab.
    Sie saßen auf dem Bett im dunklen Zimmer, denn am Sabbat war es verboten, einen Schalter zu betätigen und Licht zu machen.
    Ernst und angespannt kehrte Zalman vom Abendgebet zurück. Er zündete die geflochtene Kerze an und goss den Silberkelch bis zum Rand mit Wein voll, um diese und die nächste Welt zu erben.
    »Wo sind sie, die Sabbatsünderinnen?«, fragte er.
    »In ihrem Zimmer«, flüsterte eines der Kinder.
    »Hol sie her. Ein

Weitere Kostenlose Bücher