Ich bin Zlatan Ibrahimović
Mein Gehirn kochte.
Zwischendurch berichtete Helena mir. Sie war ins Krankenhaus gestürzt, und offenbar hatten alle um sie herum geschrien, und keiner sprach Englisch, und Helena konnte kaum ein Wort Italienisch. Sie war völlig verloren. Sie begriff nichts, außer dass es sehr schnell gehen musste und dass ein Arzt sie bat, irgendwelche Unterlagen zu unterschreiben. Was für Unterlagen? Sie hatte keine Ahnung. Aber zum Nachdenken war keine Zeit. Sie unterschrieb. In solchen Lagen unterschreibt man alles, vermute ich. Es kamen neue Papiere. Sie unterschrieb auch die, und Maxi wurde ihr weggenommen, und das tat weh, das verstehe ich wirklich.
Was passierte eigentlich? Was war los? Sie war völlig aufgelöst, und Maxi wurde immer schwächer. Aber Helena biss auf die Zähne. Sie konnte nichts anderes tun. Sie musste sich mit den Umständen abfinden und hoffen, während Maxi in einen angrenzenden Raum mit Ärzten und Krankenschwestern und alldem gebracht wurde, und nur langsam ging ihr auf, was ihm fehlte. Der Magen funktionierte nicht, und er musste operiert werden.
Ich selbst befand mich im San-Siro-Stadion mit dem verrückten Publikum, und es war nicht leicht, sich auf irgendetwas zu konzentrieren. Aber ich hatte beschlossen zu spielen. Ich stand in der Startelf. Das glaube ich zumindest. Alles ist ein Nebel, und ich vermute, dass ich nicht gut spielte. Wie sollte ich auch, und ich weiß noch, dass Mancini an der Seitenlinie stand und mir ein Zeichen gab: Ich nehm dich in fünf Minuten raus, und ich nickte. Absolut, ich geh raus, ich nütze hier keinem.
Aber eine Minute später schoss ich ein Tor, und ich dachte: Mancini, zieh Leine! Versuch bloß, mich jetzt rauszunehmen! Und ich spielte, und wir gewannen hoch. Ich spielte aus schierer Wut und Angst, und hinterher stürzte ich davon. Ich sagte in der Kabine kein Wort und kann mich kaum an die Fahrt erinnern. Mein Herz hämmerte. Aber ich erinnere mich an den Krankenhausflur und den Geruch dort, und wie ich hineinstürmte und fragte, wo, wo, und wie ich umherirrte und schließlich in einen großen Saal kam, wo Maxi zusammen mit vielen anderen Kindern in einem Brutkasten lag. Er war kleiner denn je, wie ein kleiner Vogel. Er hatte Schläuche am Körper und in der Nase. Es war, als würde mir das Herz aus der Brust gerissen, und ich sah ihn an und sah Helena an, und was glaubt ihr? War ich das Raubein aus Rosengård?
»Ich liebe euch«, sagte ich. »Ihr seid mein Ein und Alles. Aber ich schaffe das nicht. Ich flippe aus hier. Ruf mich an beim kleinsten bisschen«, und dann ging ich.
Es war nicht fair gegenüber Helena. Sie war allein mit ihm. Aber ich ertrug es nicht. Ich bekam Panik. Ich hasste Krankenhäuser mehr denn je, und ich fuhr zum Hotel, und bestimmt spielte ich Xbox. Das beruhigt mich in solchen Situationen, und die ganze Nacht lag ich mit dem Handy dicht neben mir, und manchmal fuhr ich hoch, als erwartete ich etwas Schreckliches.
Aber es war gut gegangen. Die Operation war geglückt, und Maxi geht es inzwischen prima. Er hat eine Narbe am Bauch. Sonst ist er genauso gesund wie alle anderen, und ich muss oft an diese Geschichte denken. Sie hat mir die Augen geöffnet, ehrlich gesagt.
Wir gewannen in diesem ersten Jahr bei Inter wirklich die Meisterschaft, und später wurde ich in Schweden für den Jerring-Preis nominiert. Der Gewinner wird nicht von einer Jury ausgewählt. Das tut das schwedische Volk. Die Schweden stimmen darüber ab, welcher Sportler während des Jahres der beste war, und selbstverständlich kommen die Gewinner fast immer aus Einzelsportarten, Ingemar Stenmark, Stefan Holm, Annika Sörenstam und so weiter, aber, um genau zu sein, manchmal hat auch eine ganze Mannschaft gewonnen. Die schwedische Fußballnationalmannschaft gewann ihn 1994. Aber jetzt,2007 , war ich nominiert, ihn allein zu bekommen. Es war im Rahmen der Sportgala. Helena und ich waren zusammen da, ich trug einen Smoking mit Fliege, und vor der Preisverleihung schlenderte ich ein wenig umher, und dabei stieß ich mit Martin Dahlin zusammen.
Martin Dahlin ist ein ehemaliger Großer. Er gehörte zu der Mannschaft, die 1994 den dritten Platz bei der WM erreichte und im selben Jahr den Jerring-Preis gewann. Er war außerdem Profi bei AS Rom und Borussia Mönchengladbach gewesen und hatte Tore am laufenden Band geschossen. Aber es ist wie immer, die eine Generation steht gegen die andere. Die Älteren wollen die Besten aller Zeiten gewesen sein. Wir Jüngeren wollen das
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