Ich bin Zlatan Ibrahimović
. Es war irre, Mourinho beobachtete mich. Ich fühlte mich wahrgenommen. Der Kerl ist vielleicht doch nicht so hart und ruppig.
Okay, mir war klar, dass er einen Zweck verfolgte mit seinen SMS . Er wollte anfeuern, Loyalität schaffen. Aber ich mochte ihn direkt. Es klickte. Wir verstanden uns auf Anhieb, und ich erkannte sofort, dieser Mann arbeitet hart. Er schuftet doppelt so viel wie alle anderen. Guckt tagein, tagaus Fußball und macht seine Analysen. Ich habe nie einen Trainer gehabt, der so viel über die gegnerischen Mannschaften wusste. Es war nicht einfach nur das Übliche: Guckt mal, die spielen so und so, sie haben diese und jene Taktik, auf den müsst ihr aufpassen. Es war alles, jedes kleine Detail, bis zur Schuhgröße des dritten Torwarts, sozusagen. Einfach alles. Und du hattest sofort das Gefühl: Der Bursche hat Durchblick.
Aber es dauerte, bis ich ihm das erste Mal begegnete. Es war ja EM und anschließend Urlaub, und ich weiß nicht mehr, was ich erwartete. Ich hatte ja zahllose Bilder von ihm gesehen. Er ist elegant, er ist selbstbewusst, aber ich war dennoch erstaunt. Er war ein kleiner Mann mit schmalen Schultern, und in der Nähe der Spieler sah er mickrig aus.
Aber ich spürte sogleich, dass es um ihn vibrierte. Er brachte die Leute auf Linie, und er ging auf Burschen zu, die sich für untouchable hielten, und machte ihnen Dampf. Er stand da, einen Kopf kleiner, und versuchte keine Sekunde, sich anzubiedern. Er ging geradewegs auf sein Ziel los und sagte ganz kalt: Von jetzt ab macht ihr es so und so. Verstanden! Und alle fingen an zuzuhören. Sie strengten sich an, um jede Nuance dessen, was er sagte, mitzubekommen. Nicht aus Angst vor ihm. Er war kein Capello, wie gesagt. Er schuf persönliche Bindungen zu den Spielern mit seinen SMS , seinen Mails, seinem Engagement und seinem Wissen darum, wie es uns allen ging mit Frauen und Kindern, und er schrie nicht. Die Leute hörten trotzdem zu, und alle erkannten früh, der Mann lernt und lernt. Er legt sich schwer ins Zeug, um uns vorzubereiten. Vor den Spielen baute er uns auf. Es war wie ein Theater, ein psychologisches Spiel. Er konnte Filme zeigen, wenn wir schlecht gespielt hatten, und sagen: »Seht euch das an! Wie trist! Wie hoffnungslos! Das könnt nicht ihr sein. Es müssen eure Brüder sein, eure schlechteren Ichs.« Und wir nickten, wir waren einig mit ihm. Wir schämten uns.
»So will ich euch heute nicht sehen«, fuhr er fort. Nein, nein, dachten wir, auf keinen Fall. »Geht raus wie hungrige Löwen, wie Krieger«, fuhr er fort, und wir riefen: »Absolut, alles andere taugt nicht!«
»Im ersten Zweikampf sollt ihr so sein …«, rief er und schlug die Faust gegen die Handfläche. »Und im nächsten Zweikampf …«
Er versetzte der Tafel einen Tritt, dass sie durch den Raum flog, und das Adrenalin brodelte in uns, und wir liefen aufs Spielfeld wie Wilde. Solche Sachen gab es ständig, unerwartete Dinge, die uns heiß machten, und ich fühlte immer mehr: Dieser Kerl gibt alles für die Mannschaft, da will ich auch alles für ihn geben. Das war eine besondere Art Qualität, die er besaß. Man wollte für ihn töten. Aber es ging nicht nur um Anfeuerung. Der Bursche konnte einen auch mit wenigen Worten klein machen, zum Beispiel in die Kabine kommen und ganz kühl erklären: »Du hast null geleistet heute, Zlatan, null. Du hast nicht das Geringste zustande gebracht«, und in solchen Situationen schrie ich nicht zurück.
Ich verteidigte mich nicht, nicht weil ich Schiss oder übertriebenen Respekt vor ihm gehabt hätte, sondern weil ich begriff, dass er recht hatte. Ich hatte nichts geleistet, und bei Mourinho bedeutete es nicht das Geringste, was du gestern oder vorgestern geleistet hattest. Nur das Heute zählte. Es ging um das Jetzt: »Raus, und spielt Fußball.«
Ich erinnere mich an ein Spiel gegen Atalanta. Am Tag danach sollte ich den Preis für den besten ausländischen Spieler und den besten Spieler insgesamt in der Serie A erhalten, doch zur Halbzeit lagen wir mit 0:2 hinten, und ich war ziemlich unsichtbar gewesen, und in der Kabine kam Mourinho zu mir und sagte:
»Du kriegst morgen einen Preis, nicht wahr?«
»Ja.«
»Weißt du, was du tun sollst, wenn du den Preis entgegennimmst?«
»Nein, was denn?«
»Du sollst dich schämen. Du sollst rot werden. Du sollst wissen, dass du nichts gewonnen hast. Man kann keine Preise bekommen, wenn man so miserabel spielt. Du kannst diesen Preis deiner Mutter geben oder
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